Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung einer Abfindung wegen Unwirksamkeit eines Abfindungsvergleichs. Treuwidrigkeit des Verhaltens eines öffentlichen Arbeitgebers. Treuwidrigkeit im Rahmen des § 74 LPVG NRW. Fehlende Personalratsanhörung bei Abfindungsvergleich
Leitsatz (redaktionell)
Der öffentliche Arbeitgeber kann sich nicht darauf berufen, eine getroffene Abfindungsvereinbarung sei nach § 74 LPVG NRW unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Dies geltend zu machen ist immer treuwidrig und verstößt gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens.
Normenkette
LPVG NRW § 74; BGB §§ 134, 138; StGB § 266; ArbGG § 92 Abs. 1 S. 3; BetrVG § 18 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 30.06.2021; Aktenzeichen 1 Ca 737/20) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 30. Juni 2021 abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten - soweit zweitinstanzlich von Bedeutung - um die Rückzahlung einer Abfindung aufgrund Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrags.
Der Beklagte stand seit dem 14. Januar 2008 in einem Arbeitsverhältnis zur klagenden Stadt. Auf dieses fand der TVöD-VKA Anwendung, der Beklagte war in die Entgeltgruppe 9 a eingruppiert. Er ist am 11. Mai "0000" geboren, verheiratet und hat zwei unterhaltsberechtigte Kinder. Außerdem war der Beklagte kommunalpolitisch in der klagenden Stadt engagiert.
Zuletzt arbeitete der Beklagte seit dem 01. März 2018 nach einer rechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien im A amt der Klägerin. Ein Bruttojahresgehalt des betrug ca. 40.000,00 Euro.
Mit Antrag vom 08. März 2018 beantragte der Beklagte die Feststellung seiner Schwerbehinderung.
Wegen der beabsichtigten Einführung eines Wechselschichtmodels im Außendienst des A amtes, mit dem sich der Beklagte kritisch auseinandergesetzt hatte, sollte im Herbst 2018 ein Personalgespräch geführt werden. Dieses verschob sich aufgrund längerer Erkrankungen des Beklagten und wurde auf den 08. Januar 2019 anberaumt. Im Vorfeld des Termins waren an den damaligen Personalleiter B. der Klägerin Informationen gelangt, dass der Beklagte bereit wäre, gegen Zahlung einer Abfindung das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Zum Gespräch am 08. Januar 2019 erschien der Beklagte mit Rechtsanwalt C.. Für die Klägerin nahm der Personalleiter B. an dem Gespräch teil. In diesem Gespräch sondierten die Parteien die Rahmenbedingungen eines eventuellen Auflösungsvertrags. In einem weiteren Gespräch am 11. Januar 2019 einigte man sich auf eine Abfindung in Höhe von 250.000,00 Euro brutto.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2019, beim Personalrat eingegangen am 16. Januar 2019, hörte die Klägerin den bei ihr gebildeten Personalrat über die beabsichtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beklagten im gegenseitigen Einvernehmen mit Ablauf des 31. August 2019 an. Die Höhe der Abfindung wurde dem Personalrat zumindest in diesem Anhörungsschreiben nicht mitgeteilt. Nach der Sitzung des Personalrates am 22. Januar 2019 teilte dieser am selben Tag mit, dass er auf eine Stellungnahme verzichtet.
Am 24. Januar 2019 unterzeichneten die Parteien (für die Klägerin ihr Personalleiter B.) einen Auflösungsvertrag, der auszugsweise wie folgt lautet:
"§ 1
Das durch Arbeitsvertrag vom 2. Januar 2008 begründete Arbeitsverhältnis wird hiermit in beiderseitigem Einvernehmen auf Veranlassung des Arbeitgebers mit Ablauf des 31. August 2019 aufgehoben, um eine sonst zwingende betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden.
§ 2
Der Arbeitgeber zahlt eine Abfindung zur Wahrung des sozialen Besitzstandes in Höhe von 250.000,00 Euro brutto, zahlbar zum 31. August 2019 bzw. zum Tag des Ausscheidens aus dem Dienst der Stadt D. Für jeden vollen Monat, den der Beschäftigte vor dem 31. August 2019 ausscheidet, erhöht sich die Abfindung um 3.700,00 Euro brutto. Beabsichtigt der Beschäftigte, das Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden, teilt er dies dem Arbeitgeber schriftlich unter Nennung des Beendigungsdatums mit. Der Arbeitgeber ist an dieses Beendigungsdatum gebunden.
§ 3
Der Arbeitgeber stellt den Beschäftigten ab sofort bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung des Entgelts von der Arbeitsleistung frei. Das Arbeitsverhältnis wird bis zu seinem Ende ordnungsgemäß abgerechnet. Damit sind alle Ansprüche hinsichtlich Resturlaub, Erholungsurlaub und Zeitguthaben und auch alle anderen gegenseitigen Ansprüche abgegolten.
§ 4
Der Arbeitgeber stellt dem Beschäftigten umgehend ein wohlwollendes Zwischenzeugnis, das mindestens dem Gesamturteil "gut" entspricht, und am Ende des Arbeitsverhältnisses ein ebensolches Endzeugnis aus."
Unter dem 25. Januar 2019 unterzeichneten die Parteien eine weitere Vereinbarung, wonach für den Fall einer Sperrzeit durch die Bundesagentur für Arbeit gegen den Beklagten für jede Woche der Sperrzeit ein Abfindungsbetrag in Höhe von 855,00 Euro brutto gezahlt werde.
Mit Be...