Entscheidungsstichwort (Thema)

Anbieten von Schwarzarbeit als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine in einem Einzelfall vom Arbeitnehmer gegenüber einem Kunden des Arbeitgebers angebotene, dem Umfang nach geringfügige und unentgeltliche Gefälligkeitsleistung in dessen Marktbereich ist als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung bereits an sich nicht geeignet, wenn sie außerhalb der Arbeitszeit erbracht werden sollte und dadurch geschützte Markt- oder Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers nicht berührt werden. Auf die rechtliche Einordnung der fraglichen Leistung als Schwarzarbeit im Sinne des § 1 Abs. 2 SchwarzArbG kommt es dabei nicht an.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1; SchwarzArbG § 1 Abs. 2, 4 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hamm (Entscheidung vom 14.07.2023; Aktenzeichen 3 Ca 222/23)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 14. Juli 2023 - 3 Ca 222/23 - teilweise abgeändert. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 13. Februar 2023 nicht außerordentlich und mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden ist. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 65 % und die Beklagte zu 35 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in zweiter Instanz weiter über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlich-fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

Der am 16. April 1982 geborene Kläger war seit dem 1. Oktober 2022 bei der Beklagten, die einen Fliesenfach- und Natursteinhandel nebst handwerklichem Meisterbetrieb für Verlegearbeiten führt und regelmäßig weniger als zehn Mitarbeiter beschäftigt, als Fliesenleger angestellt. Dem Arbeitsverhältnis lag ein undatierter schriftlicher Arbeitsvertrag (Anlage 1 zur Klageschrift) zugrunde, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird. Bei danach regelmäßig 40 Wochenstunden und einer Stundenvergütung in Höhe von 22,61 € erzielte der Kläger ein Monatseinkommen in Höhe von rund 4.200,00 € brutto. Unter § 1 Abs. 4 des Vertrages hatten die Parteien eine Probezeit von drei Monaten vereinbart, nach deren Ablauf für beide Parteien eine Kündigungsfrist von vier Wochen galt. Der Kläger ist mit einen Grad der Behinderung von 80 als schwerbehinderter Mensch anerkannt.

Anfang Januar 2023 führte der Kläger über mehrere Tage für die Beklagte Fliesenarbeiten im Bad des Bauvorhabens eines in A ansässigen Ehepaars, des Zeugen B und der Zeugin C, durch. Hier kam es zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und dem Zeugen B darüber, ob der Kläger bereit sei, über den mit der Beklagten vereinbarten Auftragsgegenstand hinaus in deren Hauswirtschaftsraum (Fläche ca. 5 qm) Bodenfliesen zu verlegen. Der genaue Inhalt des Gesprächs blieb zwischen den Parteien streitig, wobei der Kläger zwischenzeitlich seine dort erklärte Bereitschaft eingeräumt hat, diese Arbeiten "nach Feierabend" durchzuführen. Abweichend vom erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten ist insoweit ferner unstreitig geworden, dass die fraglichen Arbeiten nicht, auch nicht hinsichtlich vorbereitender Tätigkeiten wie dem Aufbringen einer Grundierung, zur Ausführung gelangt sind.

Am 10. Januar 2023 beanstandeten die Zeugen B die vom Kläger ausgeführten Arbeiten im Bad gegenüber der Beklagten als mangelhaft.

Nach Besichtigung führte die Beklagte in der Zeit vom 7. bis zum 9. Februar 2023 umfängliche Nacharbeiten betreffend die im Bad verlegten Bodenfliesen durch. In deren Rahmen wurde die Geschäftsführerin der Beklagten von den Zeugen darauf aufmerksam gemacht, dass der Kläger bereit gewesen sei, den Hauswirtschaftsraum außerhalb eines mit der Beklagten begründeten Vertragsverhältnisses zu verfliesen.

Am 10. Februar 2023 konfrontierte die Geschäftsführerin der Beklagten den Kläger mit diesem Sachverhalt. In dem über das Gespräch errichteten handschriftlichen Vermerk ist festgehalten, dass der Kläger eingeräumt habe, sich gegenüber den Zeugen "für weitere Fliesenarbeiten im Hause als Schwarzarbeit" angeboten zu haben. Der Vermerk ist von der Geschäftsführerin und deren Vater, der nach Darstellung der Beklagten an dem Personalgespräch teilgenommen hat, unterzeichnet. Der Kläger bestreitet eine entsprechende Einlassung.

Mit Schreiben vom 13. Februar 2023, welches der Kläger an diesem Tag erhielt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos und forderte den Kläger auf, das ihm überlassene Firmeneigentum (u. a. Arbeitskleidung und Werkzeug) unverzüglich herauszugeben.

Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 25. Februar 2023 anhängig gemachten Kündigungsschutz- und Feststellungsklage, die er unter anderem wegen einer von der Beklagten im Prozess mit anwaltlichem Schriftsatz vom 1. März 2023 erklärten ordentlichen Kündigung in der Folgezeit erweitert bzw. insoweit umgestellt hat. Zur Begründu...

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