Die Revision wird nicht zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Betriebsratsanhörung gem. § 102 Abs. 1 BetrVG bei Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste gem. § 125 Abs. 1 InsO
Leitsatz (redaktionell)
Die Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG unterliegt auch bei Vorliegen eines Interessenausgleichs mit Namensliste im Sinne von § 125 Abs. 1 InsO keinen erleichterten Anforderungen. Mit dem Abschluss des Interessenausgleichs kann aber das Verfahren nach § 102 BetrVG verbunden werden. Insbesondere kann im Interessenausgleich dokumentiert werden, dass gleichzeitig das Anhörungsverfahren gem. § 102 BetrVG eingeleitet wird und der Betriebsrat zu den Kündigungen eine abschließende Stellungnahme abgibt.
Normenkette
BetrVG § 102 Abs. 1, § 26 Abs. 2 S. 1; InsO § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Urteil vom 10.06.2005; Aktenzeichen 1 Ca 7071/02) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Schlussurteil des Arbeitgerichts Dortmund vom 10.06.2005 – 1 Ca 7071/02 – teilweise wie folgt abgeändert:
Der Feststellungsantrag zu 1) der Klägerin wird abgewiesen.
Im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten hat die Klägerin von den Kosten 1. Instanz ¾ und der Beklagte ¼ zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt allein die Klägerin.
Der Streitwert für das Verfahren 1. Instanz wird auf 14.330,00 EUR festgesetzt und der Streitwert für das Berufungsverfahren auf 10.680,00 EUR.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses.
Die am 19.07.1947 geborene Klägerin war seit dem 27.06.1983 bei der in K1xxx ansässigen Firma O1xx S2xxxxx H1xx-, T1xx-, S7xxxxxxxx GmbH & Co. KG als kaufmännische Angestellte tätig, über deren Vermögen am 01.10.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Der zum Insolvenzverwalter bestellte Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis nach Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste, auf der sich auch der Name der Klägerin befindet, am 28.10.2002 fristgemäß gemäß § 113 InsO zum 31.01.2003.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 19.11.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage. Streitig ist insbesondere, ob der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden ist.
Gegenstand des Unternehmens der Insolvenzschuldnerin war die Ausführung von Hoch- und Tiefbauarbeiten. Bei Insolvenzantragstellung beschäftigte sie 145 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nach Darstellung des Beklagten wurden diejenigen Mitarbeiter, die nicht für Abwicklungsarbeiten benötigt worden seien, zum 30.09.2002 freigestellt. Am 28.10.2002 seien alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen worden. Nachdem die Arbeiten im Geschäftsbereich Hochbau bereits zum 30.09.2002 eingestellt worden seien, sei der gesamte Geschäftsbetrieb endgültig zum 31.10.2002 stillgelegt worden. Die restlichen Abwicklungsarbeiten im Rahmen des Insolvenzverfahrens seien endgültig zum 31.03.2003 beendet worden.
Der Beklagte hat mit Schreiben vom 24.04.2003 gegenüber dem Insolvenzgericht die Unzulänglichkeit der Masse angezeigt.
Der Beklagte richtete am 09.10.2002 folgendes Schreiben an den Betriebsratsvorsitzenden der Insolvenzschuldnerin:
„Insolvenzverfahren über das Vermögen de Firma O1xx S2xxxxx H1xx-, T1xx-, S7xxxxxxxx GmbH & Co. KG, G3xxxxxxxxxxxxx 12, 53xxx K1xxx
Interessenausgleich/Sozialplan
Anhörung §§ 102, 103 BetrVG
§ 17 KSchG
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr D3xxx,
über das Vermögen der Firma O1xx S2xxxxx H1xx-, T1xx-, S7xxxxxxxx GmbH & Co. KG wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Dortmund vom 26.08.2002 (Aktenzeichen 258 IN 126/02) das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt R2xxxx S1xxxx zum Insolvenzverwalter bestellt.
In meiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter teile ich Ihnen mit, dass ich aufgrund der wirtschaftlichen und finanziellen Situation der Firma O1xx S2xxxxx H1xx-, T1xx-, S7xxxxxxxx GmbH & Co. KG gezwungen bin, die Betriebseinstellung vorzunehmen.
Aus diesem Grunde bin ich leider nicht in der Lage, die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer weiterhin zu beschäftigen. Ich beabsichtige daher nach Abschluss eines Interessenausgleichs, allen aus der Anlage ersichtlichen Arbeitnehmern unter Beachtung der gesetzlichen, tarifvertraglichen oder vertraglichen Bestimmungen zum nächst zulässigen Termin zu kündigen. Soweit im Einzelnen längere gesetzliche, tarifvertragliche oder vertragliche Kündigungsfristen bestehen, werden die Arbeitsverhältnisse mit der Höchstfrist von drei Monaten nach § 113 Abs. 1 S. InsO gekündigt werden.
Ich stelle hiermit den Antrag gem. §§ 102, 103 BetrVG auf Anhörung bzw. Zustimmung des Betriebsrates zu den beabsichtigten Kündigungen und gem. § 17 KSchG zu der Massenentlassung. Die Liste der zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer ist dem anliegenden Entwurf des Interessenausgleichs beigefügt. Der Betriebsrat wird gebeten, den Kündigungen zuzustimmen. Für den Fall, dass der Betriebsrat nicht zustimmt, wird er gebeten, binnen einer Woche schriftlich seine Bedenken gegen die Kündigunge...