Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeitliche Grenzen der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsratsmitglieds

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Arbeitnehmer, der in Wahrnehmung eines Mandats an einer Betriebsratssitzung teilgenommen hat, hat gem. § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG nachwirkenden besonderen Kündigungsschutz.

2. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer ihm gegenüber ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung, über deren Wirksamkeit arbeitsgerichtlich noch nicht entschieden war, an der Ausübung der Betriebsratstätigkeit verhindert war.

 

Normenkette

KSchG § 15 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Detmold (Entscheidung vom 19.08.2015; Aktenzeichen 3 Ca 1395/14)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 19.08.2015 - 3 Ca 1395/14 - wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.

Der 1984 geborene, ledige Kläger steht seit dem 01.11.2003 in den Diensten der Beklagten, die ca. 250 Arbeitnehmer beschäftigt. Auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26.01.2006 (Bl. 39 ff. d. A.) wurde er zuletzt als EDV-Systembetreuer zu einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.600,-- € in der 35-Stunden-Woche tätig.

Mit Schreiben vom 13.05.2014 sprach die Beklagte dem Kläger eine außerordentliche Kündigung wegen grober Beleidigung eines Vorgesetzten aus. Im anschließenden (mittlerweile rechtskräftig abgeschlossenen) Kündigungsschutzverfahren obsiegte der Kläger in zwei Instanzen durch Entscheidungen des Arbeitsgerichts Detmold vom 29.10.2014 und des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 05.05.2015 (3 Ca 583/14 = 9 Sa 1665/14).

Drei Monate nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung wurde der Kläger in seiner Funktion als Ersatzmitglied des im Betrieb der Beklagten bestehenden Betriebsrates zu einer Sitzung dieses Gremiums am 13.08.2014 geladen. Er nahm an der Sitzung teil, bis die Beklagte von seiner Anwesenheit erfuhr und ihn des Betriebes verwies.

Von seiner vertraglich geschuldeten wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden als EDV-Systembetreuer entfielen im Durchschnitt etwa 12 Stunden auf die Installation und Konfiguration von Computern und Druckern. Die regelmäßige Wartung der Hardware- und Softwarekomponenten inklusive Fehlerbeseitigung nahm etwa acht Wochenstunden in Anspruch. Für die Meldung von Störungen in der Telekommunikation (EDV, Telefonanlage, Telefax) zur Beseitigung durch die I-Group als Konzernmutter brachte der Kläger wöchentlich etwa zwei Stunden auf - ebenso wie für die Serviceverwaltung der MS Windows-Systeme. Für die Passwort-, Benutzer- und Datenzugriffsverwaltung benötigte der Kläger eine Stunde pro Woche. Eine weitere Wochenstunde entfiel auf die Einhaltung und Überwachung der Netzwerk-Security-Richtlinien der I-Gruppe. Für Einweisungen und Schulungen der Nutzer im Umgang mit MS-Office-, Lotus Notes-, Internet- und Antivirusanwendungen benötigte der Kläger wöchentlich im Durchschnitt etwa 2 Stunden. Schließlich war er ca. 7 Stunden pro Woche mit der sogenannten EDV-Geräteprüfung befasst.

Im August 2014 wurde die Stelle des EDV-Systembetreuers von einer bei der Beklagten geführten Recrutingliste gelöscht. In der Folgezeit nahm der Zeuge L für die Beklagte Kontakt zu verschiedenen EDV-Dienstleistern auf und holte Angebote ein.

Am 29.01.2015 schloss die Beklagte mit der Firma E GmbH (im Folgenden kurz: E) einen IT-Support-Vertrag. Auf dieser Grundlage übernimmt die Firma E seit Februar 2015 unter anderem die Installation und Konfiguration von Computern und Druckern, die regelmäßige Wartung aller Hardware- und Softwarekomponenten inklusive Fehlerbeseitigung sowie - in Abstimmung mit dem Zeugen M - die Meldung von Störungen in der Telekommunikation (EDV, Telefonanlage, Telefax) zur Beseitigung an die I-Group und die Einweisung und Schulung der Nutzer im Umgang mit MS-Office-, Lotus-Notes-, Internet- und Antivirusanwendungen.

Am 23.03.2015 schloss die Beklagte sodann mit der Firma E eine Ergänzungsvereinbarung, wonach diese nunmehr auch die Geräteprüfung der IT-Hardware übernimmt.

Mit Schreiben vom 04.12.2014 (Bl. 42 f. d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung des Klägers an. Nach einem Widerspruch des Betriebsrates (Bl. 44 d.A.) kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 16.12.2014, dem Kläger zugegangen am 17.12.2014, das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Wirkung zum 30.04.2015 (Bl. 5 d.A.).

Dagegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage.

Er hat die Ansicht vertreten, die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung sei unwirksam. Bei der dargestellten Fremdübernahme von EDV-Dienstleistungen seien nicht sämtliche Tätigkeiten wiederzufinden. Insbesondere fehle im Leistungsumfang der Firma E die von ihm, dem Kläger, durchgeführte Anwenderschulung (Help-Desk). Im Übrigen deckten die von der Firma ...

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