Entscheidungsstichwort (Thema)
Schweigen des Arbeitnehmers auf ein verschlechterndes Vertragsangebot. still-schweigende Zustimmung durch Weiterarbeit bei „Unmittelbar-und-sogleich-Betroffenheit
Leitsatz (redaktionell)
Eine stillschweigende Zustimmungserklärung eines Arbeitnehmers lässt sich für den Fall annehmen, dass er nach dem Angebot einer (verschlechternden) Vertragsänderung durch den Arbeitgeber unmittelbar und sogleich betroffen wird und dennoch widerspruchslos seine Tätigkeit fortsetzt. Allein die tatsächliche Praktizierung der geänderten Vertragsbedingungen kann eine konkludente Erklärung sein, die einer Annahme innerhalb der Frist des § 147 Abs. 1 BGB „sofort”) gleichkommt.
Normenkette
BGB §§ 147-148, 242
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Urteil vom 17.05.2011; Aktenzeichen 1 Ca 283/11) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 17.05.2011 – 1 Ca 283/11 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Weihnachtsgeld.
Der Kläger ist seit 1989 bei der Beklagten, die eine Druckerei betreibt, beschäftigt, zuletzt zu einem monatlichen Bruttoentgelt von durchschnittlich etwa 2.336,00 EUR.
Das Arbeitsverhältnis unterliegt nicht einer Tarifbindung.
In den Jahren 2003, 2004 und 2005 leistete die Beklagte an ihre Mitarbeiter ein Weihnachtsgeld, an den Kläger ohne Vorbehalt in Höhe von jeweils 2.094,07 EUR brutto.
Anfang 2006 fand bei der Beklagten eine Betriebsversammlung mit allen Betriebsangehörigen statt. Der Geschäftsführer der Beklagten erklärte während dieser Versammlung, dass die bislang gewährten Weihnachtsgelder zukünftig nicht mehr gezahlt werden könnten. Er stellte anheim, den Arbeitsplatz zu verlassen, wenn jemand damit nicht einverstanden sei.
Der Kläger gab zu den Äußerungen des Geschäftsführers weder in der Betriebsversammlung noch später irgendeine Erklärung ab.
Die Beklagte leistete in den Folgejahren keine Weihnachtsgeldzahlungen an ihre Mitarbeiter mehr.
Mit Schreiben vom 13.01.2011 verlangte der Kläger über seinen Prozessbevollmächtigten von der Beklagten vergeblich die Zahlung von Weihnachtsgeld für die Jahre 2008, 2009 und 2010.
Mit am 07.02.2011 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage hat der Kläger seine Ansprüche weiter verfolgt auf der Basis eines jährlichen Weihnachtsgeldbetrages von 2.094,07 EUR.
Er hat vorgetragen, der Anspruch folge aus dem Arbeitsvertrag. Denn durch die vorbehaltlose Zahlung eines Weihnachtsgeldes in den Jahren 2003 – 2005 sei eine betriebliche Übung entstanden. Dem stehe nicht der Umstand entgegen, dass die Beklagte seit 2006 ein Weihnachtsgeld nicht mehr gezahlt habe; eine „negative Übung” gebe es nicht mehr.
Auch könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass er nach der Betriebsversammlung Anfang 2006 kommentarlos weitergearbeitet habe. Schweigen habe im Rechtsverkehr keine Bedeutung. Er habe weder ausdrücklich noch schlüssig sein Einverständnis zu einer Vertragsänderung erklärt. Auch habe sich die Weihnachtsgeldzahlung für 2006 erst zum Ende des Jahres 2006 ausgewirkt, nicht aber unmittelbar im Anschluss an die angediente Vertragsänderung. Keinesfalls habe er ein Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrages jedoch unmittelbar angenommen.
Verwirkung sei nicht anzunehmen, denn es seien keine Umstände ersichtlich, aus denen die Beklagte darauf habe vertrauen dürfen, er werde seine Weihnachtsgeldansprüche zukünftig nicht mehr geltend machen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.282,21 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.02.2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Anspruch des Klägers sei durch eine Änderung des Arbeitsvertrags erloschen. Der Kläger habe ihr Angebot aus der Betriebsversammlung des Januars 2006 durch jahrelange vorbehaltlose Weiterarbeit schlüssig angenommen. Da der Kläger über die Jahreswende 2006/07 vorbehaltlos weitergearbeitet habe, sei der Arbeitsvertrag stillschweigend abgeändert worden.
Jedenfalls sei ein möglicher Anspruch verwirkt. Der Kläger habe erstmals mit Schreiben vom 13.01.2011 die Zahlung von Weihnachtsgeld geltend gemacht. Durch sein Stillhalten zwischen 2006 und 2010 habe sie darauf vertrauen dürfen, der Kläger werde auch zukünftig Ansprüche auf ein Weihnachtsgeld nicht mehr erheben.
Mit Urteil vom 17.05.2011 hat das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben und seine Entscheidung wesentlich so begründet:
Der Anspruch auf ein Weihnachtsgeld für die Jahre 2008 – 2010 in Höhe von insgesamt 6.282,21 EUR brutto stehe dem Kläger aus seinem Arbeitsvertrag zu. Er sei nach dem Rechtsinstitut der betrieblichen Übung Vertragsinhalt geworden. Durch die mehrfache Nichtzahlung sei keine gegenläufige betriebliche Übung entstanden. Hierfür hat sich das Arbeitsgericht auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.03.2009 (10 AZR 281/08) bezogen.
Der Ansp...