Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung des Arbeitgebers zur Weitergabe tarifvertraglicher Lohnerhöhungen. Zulässigkeit der Verrechnung mit übertariflichen Zulagen
Leitsatz (redaktionell)
1. Enthält der Arbeitsvertrag eine sog. kleine (zeit-)dynamische Bezugnahmeklausel, mit der bestimmte tarifliche Regelungen in ihrer jeweils gültigen Fassung für anwendbar erklärt werden, so handelt es sich in dem Fall, dass der Arbeitnehmer nicht tarifgebunden ist, um eine sog. Gleichstellungsabrede, durch die tarifliche Bestimmungen auf das Arbeitsverhältnis schuldrechtlich für anwendbar erklärt werden. Hierdurch wird der Tarifvertrag bzw. Teile des Tarifvertrages Teil des Arbeitsvertrages. Es erfolgt jedoch keine Unterwerfung unter den Tarifvertrag, da eine normative Wirkung gegenüber Außenseitern gerade nicht gewollt ist.
2. Ist der Arbeitgeber zum Zeitpunkt eines Tarifabschlusses nicht mehr tarifgebunden, so besteht für ihn keine rechtliche Verpflichtung, die Erhöhung des Tarifentgelts an den Arbeitnehmer weiter zu geben.
3. Es besteht auch kein Anspruch auf die begehrte Tarifentgelterhöhung aus dem Rechtsinstitut der betrieblichen Übung, wenn Anhaltspunkte dafür, dass sich der Arbeitgeber trotz seiner nicht mehr gegebenen Tarifgebundenheit auf Dauer verpflichten wollte, die tariflichen Entgeltentwicklungen in dem jeweiligen Industriezweig nachzuvollziehen, nicht gegeben sind.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1, §§ 133, 157; EntgeltTV Metall- und Elektroindustrie NW
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 02.07.2014; Aktenzeichen 1 Ca 451/14) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 02.07.2014 - 1 Ca 451/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um klägerische Ansprüche auf eine 3,4prozentige Entgelterhöhung ab 01.07.2013 und - hiervon abhängig - die Höhe des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2013.
Es wird von der Darstellung des Tatbestands des Urteils des Arbeitsgerichts, die umfassend und sorgfältig erfolgt ist, gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Das Arbeitsgericht Iserlohn hat mit Urteil vom 02.07.2014 der Klage hinsichtlich des beanspruchten Weihnachtsgeldes teilweise entsprochen, sie im Übrigen jedoch abgewiesen. Das Gericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Den Anträgen zu Ziffern 1 bis 4 fehle das erforderliche Feststellungsinteresse, sie seien unzulässig.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung weiteren Lohns durch die Weitergabe von Tariflohnerhöhungen in Höhe von 3,4 % ab dem 01.07.2013. Es könne dahinstehen, ob es sich bei der Regelung unter Ziffer 2 des Arbeitsvertrages bei der Bezugnahmeklausel auf die tariflichen Bestimmungen der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie NRW um eine Gleichstellungsabrede handele. Selbst wenn die Beklagte zur Weitergabe der tarifvertraglichen Lohnerhöhungen verpflichtet wäre, würde der sich daraus ergebende Bruttobetrag durch die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer automatischen Anrechnung übertariflicher Zulagen zunächst nur dazu führen, dass sich der tarifliche Anteil am Monatsentgelt erhöhe und die monatlich bislang gezahlte Sondervergütung in Höhe von 251,69 Euro brutto aufgezehrt würde (vgl. Ziff. 3 c des Arbeitsvertrages). Die Anrechnung in individualrechtlicher Hinsicht sei nur dann nicht möglich, wenn die übertarifliche Zulage arbeitsvertraglich als - anrechnungsfester - selbständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn vereinbart sei. Dies sei erkennbar nicht der Fall. Die Arbeitsvertragsparteien hätten unter Ziffer 3 c) des Arbeitsvertrages explizit geregelt, dass sich alle übertariflichen Zulagen bei Tariflohnerhöhungen automatisch verminderten, während sich der tarifliche Anteil am Monatsentgelt automatisch erhöhe.
Wollte man dieser Auffassung nicht folgen, hätte der Kläger auch keinen Anspruch auf Weitergabe der Tariflohnerhöhung. Denn Ziffer 2 des Arbeitsvertrags stelle lediglich eine sogenannte Gleichstellungsabrede dar. Anhaltspunkte, die unabhängig von dem Wortlaut der Ziffer 2 gegen eine Gleichstellungsabrede sprächen, seien nicht ersichtlich. Die unter Ziffer 3 und 17 konkret geregelten Vergütungsbestandteile wiesen darauf hin, dass sich die Beklagte nicht vollumfänglich dem Tarifvertrag habe unterwerfen wollen, sondern nur soweit ihre Tarifbindung bestehe. Selbst wenn alle Lohnerhöhungen nach 2002 weitergegeben worden wären, könne dies nicht dazu führen, einen Arbeitsvertrag anhand von Umständen auszulegen, die erst Jahre später eingetreten seien. Die Weitergabe von Tariferhöhungen im Anschluss an den Verbandsaustritt führe nicht dazu, dass die arbeitsvertragliche Regelung nicht mehr als Gleichstellungsabrede verstanden werden könne.
Ein Anspruch auf die Tariflohnerhöhung ergebe sich auch nicht aufgrund einer etwa weiter bestehenden Tarifbindung der Beklagten in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 27.11.2001 unmissverständlich die Kündigung ihrer Mitgliedschaft...