Die Revision wird nicht zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds Vortäus chen einer Arbeitsunfähigkeit genesungswidriges Verhalten Besuch eines Fußballspiels und Ausüben einer Ordnertätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Genesungswidriges Verhalten eines Arbeitnehmers kann ohne vorherige Abmahnung nur in schwerwiegenden Fällen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
Normenkette
KSchG § 15 Abs. 1; BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Urteil vom 29.09.2004; Aktenzeichen 3 Ca 353/04) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29.09.2004 – 3 Ca 353/04 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Die am 22.12.13xx geborene, ledige Klägerin ist seit dem 16.11.1979 bei der Beklagten, die ca. 700 Mitarbeiter beschäftigt, als Lagerarbeiterin im Bereich Retouren zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.931,39 EUR zuzüglich eines Arbeitgeberanteils für vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 26,59 EUR brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die Tarifverträge im Groß- und Außenhandel Anwendung.
Die Klägerin ist seit dem 19.08.1983 mit einem Grad der Behinderung von 50 % schwerbehindert.
Seit 1998 ist die Klägerin Mitglied des aus 13 Personen bestehenden Betriebsrats.
In der Vergangenheit erhielt die Klägerin mehrere Abmahnungen; so am 10.08.1993 wegen unbegründeter verbaler Angriffe gegen einen Kollegen, am 28.12.1993 wegen eigenmächtiger Urlaubsnahme, am 11.02.1994 wegen Unpünktlichkeit, am 30.05.1994 wegen eigenmächtiger Urlaubsnahme und am 05.04.1995 wegen Arbeitsverweigerung.
Im Jahre 1995 und im Jahre 1998 hatte die Beklagte zwei vergebliche Anträge auf Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung der Klägerin wegen arbeitsvertraglicher Verstöße bei der Hauptfürsorgestelle gestellt.
Am 10.04.2003 erhielt die Klägerin eine weitere Abmahnung (Bl. 40 d.A.) wegen Verletzung der Anzeigepflicht im Falle der Erkrankung nach § 6 des Arbeitsvertrages. Ob die Klägerin sich am Montag, den 07.04.2003 bei der Beklagten telefonisch arbeitsunfähig abgemeldet hat, ist zwischen den Parteien streitig.
Für den Zeitraum von Dienstag, den 09.12.2003 bis Mittwoch, den 17.12.2003 wurde die Klägerin von ihrem behandelnden Arzt, Herrn Z2xxxxx, wegen Rückenbeschwerden, die die Grundlage für die anerkannte Schwerbehinderung der Klägerin bilden, arbeitsunfähig krankgeschrieben. Ihr wurde ein Medikament verordnet.
Vorschriften oder Empfehlungen bezüglich ihres Aufenthaltes erhielt die Klägerin nicht.
Am Freitag, den 12.12.2003 fand in der zweiten Bundesliga ein Heimspiel des DSC Arminia Bielefeld gegen den VFL Osnabrück auf der seinerzeitigen „Alm”, der heutigen „Schüco-Arena” statt. Die Klägerin besuchte dieses Fußballspiel.
Neben einem professionellen Ordnungsdienst bedient sich der DSC Arminia Bielefeld bei seinen Heimspielen einem ergänzenden Ordnungsdienst aus einem Pool von Personen, in dem auch die Klägerin geführt wurde. Die Klägerin wurde auf Nachfrage am 12.12.2003 als Ordnerin eingeteilt. Sie erhielt ein gelbes Leibchen mit der Aufschrift „Ordner” und hatte die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Zuschauer die Treppenaufgänge im Stadion nicht blockierten und dass die Fluchtwege freigehalten wurden. Den Ordnern ist es untersagt, sich während des Spiels auf freie Sitzplätze zu setzen. Für die Tätigkeit erhalten die Ordner eine Aufwandsentschädigung von 20,00 EUR, sie brauchen keinen Eintritt in das Stadion zu zahlen. Die Ordnertätigkeit der Klägerin begann ab 17.00 Uhr. Wie lange sich die Klägerin im Stadion aufhielt, bis Spielende um 20.45 Uhr oder bis 22.45 Uhr, ist zwischen den Parteien streitig. Das Fußballspiel selbst begann um 19.00 Uhr und endete um 20.45 Uhr. Die Temperaturen lagen an diesem Tag um den Gefrierpunkt.
Die Ordnertätigkeit der Klägerin am 12.12.2003 wurde von einem Arbeitskollegen der Klägerin, der ebenfalls als Ordner eingeteilt war, der Beklagten mitgeteilt.
Am 18.12.2003 übergab die Klägerin persönlich im Betrieb der Beklagten eine Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die vom 18.12.2003 bis zum 23.12.2003 datierte.
Bei Abgabe dieser Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde die Klägerin am 18.12.2003 zu ihrer Ordnertätigkeit für den DSC Arminia Bielefeld am 12.12.2003 befragt. Ob die Klägerin bei dieser Befragung ihren Einsatz als Ordner abgestritten hat, ist zwischen den Parteien streitig.
Da die Beklagte lediglich die Tatsache des Arbeitsunfähigkeitszeitraums für die Klägerin und nicht die Diagnose kannte, fragte sie am 18.12.2003 über die zuständige AOK beim behandelnden Arzt nach, ob aufgrund des bei der Klägerin bestehenden Krankheitsbildes während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit die Klägerin eine Ordnertätigkeit hätte ausüben dürfen. Welche Auskunft der die Klägerin behandelnde Arzt, Herr Z2xxxxx, der Sachbearbeiterin der AOK B1xxxxxxx, Frau K3xxxx, gegeben hat, ist zwischen den Parteien streitig. ...