Entscheidungsstichwort (Thema)

Bereitschaftsdienst in Pflege- und Betreuungseinrichtungen auch für die Zeit zwischen Vollarbeitszeiten. Unbegründete Feststellungsklage eines Altenpflegers zur Anrechnung von Nachtschichtzeiten als volle Arbeitszeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 7 Abs. 3 TVöD-B leisten Beschäftigte in Pflege- und Betreuungseinrichtungen Bereitschaftsdienst, wenn sie sich auf Anordnung des Arbeitgebers “außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit„ an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen.

2. Bereitschaftsdienst im Sinne des § 7 Abs. 3 TVöD-B kann durch entsprechende Schichtplanung auch vor, nach und zwischen Vollarbeitszeiten angeordnet werden.

3. Merkmal des Bereitschaftsdienstes ist es, dass der Arbeitnehmer während dieser Zeit eine andere und zusätzliche Leistung erbringt, indem er dem Arbeitgeber auf Abruf zur Verfügung steht und insoweit in der Wahl seines Aufenthaltsortes beschränkt ist.

4. Die Tätigkeit auf Abruf mit der Beschränkung der Wahl des Aufenthaltsortes kann aus begründeten betrieblichen Notwendigkeiten auch zwischen Vollarbeitszeiten geboten sein. Das gilt typischerweise für Betreuungseinrichtungen der Altenpflege, da in der Nacht keine regelmäßig Tätigkeiten wie Waschen (der Betreuten), Medikamentenversorgung oder Bereitstellungen von Essen und Getränken zu erbringen sind.

 

Normenkette

TVöD-B § 7 Abs. 3, § 8 Abs. 3, § 9 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Entscheidung vom 12.05.2017; Aktenzeichen 2 Ca 1501/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 12.05.2017 - 2 Ca 1501/16 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits trägt der Kläger.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob bestimmte Schichtzeiten des Klägers Vollarbeitszeit oder Bereitschaftszeit darstellen.

Der Kläger ist zumindest seit dem 01.08.2001 als Altenpfleger bei dem Beklagten auf der Grundlage eines Anschlussdienstvertrages vom 07.08.2001 (Bl. 69 - 71 d. A.) beschäftigt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags ist der TVöD-B als den BAT ersetzender Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Der Kläger erzielt ein Bruttogehalt von 3.450 Euro monatlich.

Er arbeitet gegenwärtig in einem Schichtmodell, das aus zwölf Arbeitstagen im Block besteht. In der ersten Woche arbeitet er pro Dienst 6,42 Stunden mit Ausnahme des Donnerstag, an dem er 7,3 Stunden arbeitet. In der zweiten Arbeitswoche geht die Schichtzeit von 20:15 Uhr bis 08:05 Uhr. Die Zeit zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr ist nach Auffassung des Beklagten Bereitschaftsdienst, der nach § 8.1 Abs. 1 a TVöD-B Stufe B zu 25 Prozent als Arbeitszeit bewertet wird. Der Beklagte rechnet die faktorisierte Arbeitszeit auf die tarifliche Arbeitszeit des Klägers an. Dieser verbringt die Schichtzeit zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr im Dienstzimmer der Station. Er ist während der Nachtschicht für die von ihm zu pflegenden Menschen in der Einrichtung Wohnverbund Lstift B zuständig. Je nach Situation entwickelt er eine geringe oder stärkere Aktivität. Mitunter fallen Einsatzzeiten häufiger, mitunter selten an.

Bei der Beklagten besteht für die Einrichtung eine Betriebsvereinbarung über die Gestaltung des Ausgleichszeitraums gemäß § 6 Abs. 6 Abs. 2 TVöD-B. Wegen der Einzelheiten der Betriebsvereinbarung wird auf die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 16.02.2017 vorgelegte Kopie (Bl. 76 - 78 d. A.) Bezug genommen.

Ausweislich des Stundennachweises für die Zeit vom 01.01.2017 bis zum 31.01.2017 (Bl. 74, 75 d. A.) wird die Schichtzeit zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr als Bereitschaftsdienst erfasst.

Mit seiner am 11.10.2016 bei dem Arbeitsgericht Münster eingegangenen Klage hat der Kläger zuletzt die Feststellung begehrt, dass die Schichtzeit zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr in voller Höhe auf die tarifliche Arbeitszeit angerechnet wird.

Mit Beschluss vom 14.10.2016 (Bl. 11 d.A.) hat das Arbeitsgericht Münster den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Bocholt verwiesen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die geringere Aktivität in der streitgegenständlichen Einsatzzeit nichts daran ändere, dass ihm während der gesamten Schicht ein Zustand wacher Aufmerksamkeit abverlangt werde. Bei dem Dienst handele es sich um Bereitschaftszeit im Sinne von § 9 TVöD-B.

Er hat beantragt

festzustellen, dass ihm die im Rahmen seiner von 20:15 Uhr bis 08:05 Uhr andauernden Schicht von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden in voller Höhe auf die tarifliche Arbeitszeit angerechnet werden.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, bei der streitgegenständlichen Schichtzeit handle es sich um Bereitschaftsdienst, da der Kläger Arbeitsleistung nur im Falle des Abrufes erbringe. Es liege keine Bereitschaftszeit im Sinne von § 9 TVöD-B vor, da aktive und passive Arbeitszeiten nicht potentiell ständig wechselten.

Er hat vorgetragen:

In der Einrichtung gebe...

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