Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertrag für Versorgungsbetriebe. Umfang des Direktionsrechts des Arbeitgebers im Geltungsbereich des Tarifvertrags Versorgungsbetriebe

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Geltungsbereich des Tarifvertrags für Versorgungsbetriebe ist ein Arbeitgeber befugt, einen Arbeitnehmer im Rahmen seines Direktionsrechts zur Ableistung von Rufbereitschaft anzuweisen, wenn dies betrieblich notwendig ist.

2. Dem entspricht jedoch keine Verpflichtung des Arbeitgebers, Rufbereitschaft anzuordnen. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer in der Vergangenheit jahrelang Rufbereitschaft geleistet hat und er durch die Rücknahme der Anordnung finanziellen Nachteil erleidet.

 

Normenkette

TVG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 27.02.2018; Aktenzeichen 1 Ca 1511/17)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 27.02.2018 - 1 Ca 1511/17 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Rufbereitschaftszulagen für April und Mai 2017 in Anspruch.

Der 1957 geborene Kläger ist seit dem 01.06.1982 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt seit dem 26.01.1988 als Meister in der Lager- und Materialwirtschaft. Die Beklagte betreibt mit ca. 400 Arbeitnehmern ein Versorgungsunternehmen. Ein Betriebsrat ist gewählt. Die Einzelheiten der arbeitsvertraglichen Beziehungen regelten die Parteien in den Arbeitsverträgen vom 17.05.1982 und 26.01.1988 (Bl. 32 - 36 GA). Nach § 2 der Arbeitsverträge richtetet sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge. Der BAT ist zwischenzeitlich vom Tarifvertrag für Versorgungsbetriebe (TV-V) abgelöst worden. Im Arbeitsvertrag vom 26.01.1988 heißt es auszugsweise (Bl. 35, 36 GA):

§ 1

Herr B wird ab 1. Februar 1988 als Angestellter eingestellt.

§ 2

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT) vom 23. Februar 1961, des Bezirks-Zusatztarifvertrags hierzu (BZT-A/NRW) und der diese Tarifverträge ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung. Daneben finden die für Angestellte des Arbeitgebers jeweils geltenden Tarifverträge Anwendung

§ 3

Die Probezeit gemäß § 5 BAT beträgt - Monate.

§ 4

Der Beginn der Beschäftigungszeit gemäß § 19 BAT wird auf den 1. Juni 1982, der Beginn der Dienstzeit gemäß § 20 BAT auf den 1. Juni 1982 festgesetzt.

§ 5

Die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen beträgt durchschnittlich wöchentlich 40 Stunden.

§ 6

Herr B wird gemäß § 22 BAT in Vergütungsgruppe V b eingruppiert.

§ 7

1) Für die Beitragsleistung zur Sozialversicherung ...

§ 8

Änderungen und Ergänzungen dieses Arbeitsvertrages sowie Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden.

§ 9

Gerichtsstand ist H.

...

Das letzte Arbeitsentgelt des Klägers wird von den Parteien unterschiedlich angegeben, was seinen Grund (auch) in der hier streitigen Rufbereitschaftszulage hat. Die Zulage erhielt der Kläger, weil er von 1988 bis zum März 2017 jeweils Rufbereitschaften für die Beklagte geleistet hat. Neben dem Kläger waren noch andere Mitarbeiter in die Rufbereitschaft einbezogen. Seit April 2017 übertrug die Beklagte die Rufbereitschaft den Mitarbeitern des Entstörungsdienstes Strom. In einem Schreiben an den Kläger vom 01.03.2017 wird die Umorganisation wie folgt gekennzeichnet:

Wie Sie bereits wissen, wurde die Rufbereitschaft für die Mitarbeiter von L eingestellt, damit Störungsbeseitigungen in Form von Rufbereitschaft außerhalb der Dienstzeit von Mitarbeitern der Netzgesellschaft H mbH im Rahmen des Entstörungsdienstes bewältigt werden.

Der Betriebsrat stimmte in seiner Sitzung vom 30.03.2017 der organisatorischen Maßnahme "Übernahme Bereitschaftsdienst Lager durch den Entstörungsdienst Strom" zu (Bl. 190 GA).

Ergänzend wird Bezug genommen auf das "Handbuch Störungs- und Notfallorganisation" (Bl. 183 ff), das Schreiben der Beklagten an den Betriebsrat vom 14.03.2017 "Übernahme Bereitschaftsdienst Lager durch die Entstörungsdienstleiter Strom" (Bl. 191, 192 GA), auf das Schriftstück "Einweisung" mit unterschriebenen Teilnahmebestätigungen an Schulungen zum Lager am 25.01.2017 und 05.05.2017 (Bl. 193 - 195 GA) und auf die exemplarisch vorgelegten Personaleinsatzlisten "Entstörungsdienst der Stromversorgung 2018" und "Entstörungsdienstplan Gas-Wasser-Lager-Tiefbau 2018" (Bl. 188, 189 GA).

Der Kläger hat vorgetragen, die Rufbereitschaft, zu der er in den Jahren 1988 - 2017 regelmäßig eingeteilt gewesen sei, habe alle 5 Wochen stattgefunden, aufgeteilt zwischen 5 Mitarbeitern. Die Rufbereitschaft sei Teil seines Arbeitsvertrages. Er habe sich aufgrund einer internen Stellenausschreibung für die Materiallagerung und -ausgabe beworben. In der Stellenausschreibung vom 22.10.1986 habe es geheißen (Bl. 229 GA):

...

Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit ist die Teilnahme an der ...

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