Entscheidungsstichwort (Thema)

Gratifikation /Weihnachtsgeld. betriebliche Übung. Gesamtzusage. Höhe einer Gratifikation /des Weihnachtsgelds

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat der Arbeitgeber nicht vorbehaltlos jährlich eine gleichbleibende Leistung gewährt, kann die gewährte Leistung nicht zu einem Anspruch auch in der Folgezeit führen.

2. a) Ein Vorbehalt ist bereits darin zu sehen, dass sich der Arbeitgeber hinsichtlich der Höhe der geleisteten Gratifikation nicht in jedem Jahr gleichförmig verhalten, sondern in den Jahren 2002 bis 2010 an Weihnachtsgeld in jährlich wechselnder Höhe zwischen 300,00 € brutto und 1.775,00 € brutto gezahlt hat.

b) Zahlt der Arbeitgeber das Weihnachtsgeld in jährlich unterschiedlicher Höhe quasi "nach Gutdünken", wird durch ein solches Verhalten einer ungleichförmigen Wiederholung für den Arbeitnehmer der Wille des Arbeitgebers erkennbar, in jedem Jahr neu über die Zuwendung zu entscheiden.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 611, 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Siegen (Entscheidung vom 29.05.2012; Aktenzeichen 3 Ca 1651/11 O)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 29.05.2012 - 3 Ca 1651/11 O - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Gratifikation/Weihnachtsgeld für das Jahr 2011.

Zwischen den Parteien besteht seit 1976 ein Arbeitsverhältnis, aufgrund dessen der Kläger bei der Beklagten als Werkzeugmacher zu einem Stundenlohn von zuletzt 17,07 € brutto beschäftigt ist.

Die Beklagte zahlte an den Kläger seit 2002 Weihnachtsgratifikationen in folgender Höhe:

2002

1.550,00 € brutto

2003

1.585,00 € brutto

2004

1.570,00 € brutto

2005

275,00 € brutto

2006

1.695,00 € brutto

2007

580,00 € brutto

2008

300,00 € brutto

2009

1.775,00 € brutto

2010

1.775,00 € brutto

Ab dem Jahr 2002 teilte die Beklagte jeweils vor Auszahlung der Gratifikation durch Aushang am betriebsinternen Schwarzen Brett die Bedingungen der Sonderzahlung mit. Die Aushänge enthielten jeweils den Hinweis darauf, dass es sich bei der Sonderzahlung um eine freiwillige Leistung handele und dass in den Folgejahren ein Rechtsanspruch daraus nicht hergeleitet werden könne.

Mit seiner am 20.12.2011 eingereichten Zahlungsklage begehrt der Kläger von der Beklagten ein Weihnachtsgeld für 2011 in Höhe von 1.775,00 € brutto.

Er hat vorgetragen, dass er seit Eintritt in den Betrieb der Beklagten in jedem Jahr ein Weihnachtsgeld erhalten habe. Dieses habe im Regelfall 60 % des Bruttoverdienstes betragen. Lediglich bei krankheitsbedingten Fehlzeiten habe die Beklagte diese Zahlung teilweise reduziert. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass aufgrund der gleichförmigen Verhaltensweise der Beklagten durch betriebliche Übung ein Anspruch auf Zahlung eines Weihnachtsgelds entstanden sei. Diesen Anspruch habe die Beklagte auch durch die Aushänge am Schwarzen Brett seit dem Jahr 2002 nicht mehr beseitigen können.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklage zu verurteilen, an den Kläger 1.775,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2011 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat einen Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation insbesondere aufgrund betrieblicher Übung für nicht gegeben angesehen. Der Kläger beziehe auch nicht seit dem Jahr 1976 ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe von 60 % seines Bruttoverdiensts. Dies ergebe sich schon aus dem eigenen Vorbringen des Klägers. Denn dieser habe im Jahr 2002 eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 53,4 % seines Bruttoverdienstes, im Jahr 2003 in Höhe von 52,8 % seines Bruttoverdienstes und im Jahr 2004 in Höhe von 49,8 % seines Bruttoverdienstes erhalten. Lediglich 2009 und 2010 seien die Beträge identisch gewesen. Dies führe aber nicht zur Entstehung einer betrieblichen Übung.

Das Arbeitsgericht Siegen hat mit Urteil vom 29.05.2012 die Klage des Klägers als unbegründet abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Für den Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.775,00 € brutto fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Dem Kläger gelinge es nicht, die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung bezogen auf die Zahlung einer jährlichen Weihnachtsgratifikation darzulegen. Das Institut der betrieblichen Übung setze die regelmäßige und gleichförmige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers voraus, aus denen der Arbeitnehmer einen konkreten Verpflichtungswillen des Arbeitgebers dahin ableiten könne, dass ihm eine gewisse Leistung auch zukünftig gewährt werden solle. Dies sei der Fall bei einer wiederholt vorbehaltlos erbrachten gleichbleibenden Leistung. Wolle der Arbeitgeber sich nicht binden, müsse er dies unmissverständlich klarstellen, indem er bei der Zahlung oder vorab durch eine entsprechende arbeitsvertragliche Regelung darauf hinweise, dass es sich um eine freiwillige Leistung handele, auf die auch nach mehrfacher Wiederholung ein Re...

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