Entscheidungsstichwort (Thema)
Gratifikation. Arbeitsvertrag. Tarifvertrag. Rechtsanspruch. freiwillige Leistung. Anspruchskonkurrenz. Rückzahlung
Leitsatz (amtlich)
Verspricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vertraglich eine Gratifikationsleistung, welche im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.03. des Folgejahres zurückzuzahlen ist, enthält jedoch die Auszahlungsmitteilung die Erklärung, es handele sich um eine freiwillige Zuwendung ohne Rechtsanspruch, welche im Falle der Kündigung des Arbeitsverhältnisses zurückzuzahlen sei, so wird zwar die gewährte freiwillige Leistung auf den vertraglich begründeten Anspruch des Arbeitnehmers angerechnet (Anspruchskonkurrenz), für die Rückzahlungsverpflichtung gelten jedoch allein die günstigeren Modalitäten der Auszahlungsmitteilung, so dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Befristung keine Rückzahlungsverpflichtung begründet.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Urteil vom 11.12.2001; Aktenzeichen 1 Ca 1034/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 11.12.2001 – 1 Ca 1034/01 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner Klage wendet sich der Kläger, welcher aufgrund mehrfach befristeten Arbeitsvertrages zuletzt bis zum 31.03.2001 bei der Beklagten gegen ein monatliches Bruttoentgelt von ca. 3.900.– DM beschäftigt war, gegen einen Einbehalt an Arbeitsvergütung gemäß der Abrechnung für den Monat März 2001 in Höhe von 1.210,– DM brutto.
Diesen Einbehalt stützt die Beklagte auf eine tarifliche Rückzahlungsklausel gemäß dem arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Haustarifvertrag, welcher in § 11 Ziffer 5 unter den dort genannten Voraussetzungen die Rückzahlung der jährlich zu beanspruchenden Weihnachtsgratifikation vorsieht. Der Kläger hält den vorgenommenen Einbehalt für unberechtigt und verweist hierzu insbesondere auf den Umstand, dass die Beklagte im Zusammenhang mit der Auszahlung der Weihnachtsgratifikation 2000 folgende Erklärung abgegeben hat:
„…
Bei dieser Zuwendung handelt es sich um eine einmalige Ausschüttung, aus der keinerlei Rechtsansprüche – dem Grunde und der Höhe nach – für die Zukunft abgeleitet werden können.
Falls das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung – gleichgültig von welcher Seite – bis zum oder mit dem Ablauf des 31.03.2001 endet, besteht ein Rückforderungsrecht seitens der Firma.
…”
Durch Urteil vom 11.12.2001 (Bl. 54 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht dem Klagebegehren mit der Begründung entsprochen, die Beklagte könne zwar nach § 11 Ziffer 5 des Haustarifvertrages die Rückzahlung der gezahlten Gratifikation verlangen. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung scheitere indessen daran, dass die Beklagte zu Unrecht eine Aufrechnung „brutto gegen brutto” vorgenommen habe.
Gegen das ihr am 04.01.2002 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts richtet sich die am 22.01.2002 eingelegte und am 20.02.2002 begründete Berufung der Beklagten, mit welcher sie an ihrer Auffassung festhält, der vorgenommene Brutto-Einbehalt sei rechtlich nicht zu beanstanden. Vorsorglich erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit einem Nettobetrag von 510,08 DM. Soweit der Kläger den Standpunkt einnehme, die Rückzahlung der geleisteten Gratifikation sei – abweichend vom Tarifvertrag – nach dem Inhalt der Auszahlungsmitteilung ausdrücklich nur für den Fall einer Kündigung vorgesehen, treffe dies nicht zu. Schon aus der Tatsache, dass die Beklagte die gezahlte Weihnachtsgratifikation auf der Grundlage des Haustarifvertrages berechnet habe, ergebe sich nämlich, dass die Beklagte keineswegs eine vom Tarifvertrag abweichende Sonderleistung unter beschränkten Rückzahlungsvoraussetzungen habe erbringen wollen. Vielmehr stelle sich die Erklärung der Beklagten im Zusammenhang mit der Auszahlung der Gratifikation allein als verstärkender Hinweis auf die bestehende Rechtslage dar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt.
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung als zutreffend und wiederholt zum einen seinen Standpunkt, in keinem Fall komme eine Bruttoaufrechnung in Betracht. Im Übrigen scheitere der zur Aufrechnung gestellte Rückforderungsanspruch in der Sache daran, dass sich die Beklagte erklärtermaßen nur für den Fall einer Kündigung die Rückforderung der gezahlten Gratifikation vorbehalten habe. Vorliegend sei das Arbeitsverhältnis jedoch nicht gekündigt, sondern wegen Ablaufs der Befristung beendet worden.
Entscheidungsgründe
I
Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
1. Soweit das Arbeitsgericht dem Klagebegehren mit der Begründung entsprochen hat, vorliegend handele es sich um eine unzulässige Bruttoaufrechnung, vermag die Kammer diesem Standpunkt nicht zu folgen.
Richtig ist zwar, dass eine Aufrechnung des Arbeitgebers mit Gegenansprüc...