Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses wegen Verletzung der zulässigen Überlassungshöchstdauer gemäß 9 Abs. 1 Nr. lb, 10 Abs. 1 AÜG. Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird bei einem Leiharbeitsverhältnis die Überlassungshöchstdauer überschritten, kommt zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis zustande.
2. § 1 Abs. 1b S. 3 und 5 AÜG verstoßen nicht gegen höheres Recht.
3. Die Überlassungsdauer eines Leiharbeitnehmers wird nicht unterbrochen, wenn ein Betriebsübergang auf Seiten des Entleihers nicht zur Zäsur hinsichtlich des Einsatzes des Leiharbeitnehmers geführt hat, sondern die bisherige Tätigkeit nahtlos fortgesetzt wird.
Normenkette
AÜG § 9 Abs. 1 Nr. lb, § 10 Abs. 1; TzBfG § 17; KSchG § 7
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 09.02.2023; Aktenzeichen 5 Ca 1127-22) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 09.02.2023, 5 Ca 1 127/22, unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 16.06.1021 ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Kommissionierer zu den Bedingungen der Tarifverträge in der Metall- und Elektroindustrie NRW zu beschäftigen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen wegen Verletzung der zulässigen Überlassungshöchstdauer gemäß 9 Abs. 1 Nr. lb, 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis als zustande gekommen gilt, hilfsweise ein Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrages hätte unterbreitet werden müssen sowie über die Pflicht zur Beschäftigung des Klägers.
Der Kläger war seit dem 16.06.2017 auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages als Leiharbeitnehmer zunächst bei der A GmbH und nach einem Betriebsübergang seit dem 01.05.2018 bei der Firma B GmbH zu einem durchschnittlichen Bruttoentgelt von zuletzt 3.287,94 EUR (vgl. BI. 5 d.A.) beschäftigt.
Er wurde im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses durchgängig bis zum 06.04.2022 auf demselben Arbeitsplatz als Kommissionier eingesetzt. Entleiherin war bis zum30.06.2018 noch die C AG D und erst seit dem 01.07.2018, aufgrund eines Betriebsteilüberganges, die hiesige Beklagte.
Die Beklagte ist ebenso wie die C AG Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie NRW. Der Kläger ist kein Gewerkschaftsmitglied.
Rückwirkend zum 01.04.2017 schlossen die Tarifvertragsparteien den Tarifvertrag Leih-Zeitarbeit für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (TV LeiZ 2017), der den Vorgänger TV LeiZ 2012 ablöste und - soweit hier von Interesse - das Folgende bestimmt:
§ 1 Geltungsbereich
Für diesen Tarifvertrag gilt der Geltungsbereich des Einheitlichen Manteltarifvertrages (EMTV).
§ 2 Einsatz von Leih-Zeitarbeitnehmern
3. Die Tarifvertragsparteien stimmen darin überein, dass die Höchstdauer eines Einsatzes nach diesem Tarifvertrag (§§ 3 und 4 Nr. 1) 48 Monate nicht überschreiten darf.
§ 3 Betriebe mit Betriebsvereinbarung
1. Die Betriebsparteien können im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung den Einsatz von Leih-Zeitarbeit und die Ausgestaltung der betrieblichen Flexibilität regeln. Auf Verlangen einer Seite sind hierzu Verhandlungen aufzunehmen.
a. In dieser Vereinbarung können zum betrieblichen Einsatz von Leih-Zeitarbeit u.a. geregelt werden:
- Höchstdauer des Einsatzes und Übernahmeregelung
§ 8 Übergangsregelung
1. Für Betriebsvereinbarungen nach § 3 Nr. 3 ohne die Festlegung einer Überlassungshöchstdauer gilt Folgendes:
c) Sofern keine Einigung erzielt wird, gilt eine Überlassungshöchstdauer von. 36 Monaten ab dem 01.Juni 2017, für Leih-Zeitarbeitnehmer, die nach dem
1. Juni 2017 im Einsatzbetrieb beschäftigt werden, gelten 36 Monate vom Zeitpunkt des Einsatzbeginns.
d) Für Beschäftigte, die zum 01. Juni 2017 bereits im Einsatzbetrieb beDie Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.schäftigt waren, gilt die Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten ab 1. Juni 2017 entsprechend.
3. Wird eine Betriebsvereinbarung nach § 3 gekündigt, entstehen die Pflichten nach § 4 frühestens sechs Monate nach Auslaufen der Betriebsvereinbarung. "
Am 08.112018 einigten sich die Tarifvertragsparteien auf den Tarifvertrag Leih-Zeitarbeit für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (TV LeiZ 201 8), (BI. 30 ff. d.A.), der zum 01.012019 in Kraft trat, seinerseits den TVLeiZ 2017 ablöste und auszugsweise das Folgende bestimmt:
§ 2 Einsatz von Leih-Zeitarbeitnehmern
...3. Die Tarifvertragsparteien stimmen darin überein, dass die Höchstdauer eines Einsatzes nach diesem Tarifvertrag (§§ 3 und 4 Nr. 1) 48 Monate nicht überschreiten darf.
§ 3 Betriebe mit Betriebsvereinbarung
1. Die Betriebsparteien können im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung den Einsatz von Leih-Zeitarbeit und die Ausgestaltung der betr...