Die Revision wird zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung des Insolvenzverwalters vor Bekanntwerden der Entscheidung des EuGH vom 27.01.2005 in Sachen Junk/Kühnel Rs C 188/03
Leitsatz (amtlich)
Keine Unwirksamkeit der Kündigung wegen Verstoßes gegen die Massenentlassungsvorschriften. Vertrauensschutz bei Altfällen (hier: Kündigung des Insolvenzverwalters vom 25.06.2004).
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, §§ 17-18; InsO §125 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2; BetrVG § 102 Abs. 1; BGB § 613a Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Urteil vom 10.02.2005; Aktenzeichen 4 Ca 3894/04) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 10.02.2005 – 4 Ca 3894/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich mit ihrer am 02.07.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten zu 1., der das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 25.06.2004 fristgemäß zum 30.09.2004 gekündigt hat. Mit ihrer weiteren am 06.08.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen und verbundenen Klage will die Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2. als Betriebserwerberin den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses feststellen lassen.
Die am 28.11.1962 geborene, verheiratete Klägerin war bei der Bäckerei und Konditorei und Café K3xx B2xxxxxxxx (Inhaber H1xxx P2xxxxxxxxxxx) seit dem 01.11.1998 als Verkäuferin tätig. Vorher arbeitete sie seit April 1989 als Aushilfe.
ber das Vermögen des Inhabers wurde am 01.03.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser schloss mit dem Betriebsrat am 24.06.2004 einen Interessenausgleich mit Namensliste, auf der sich auch der Name der Klägerin befindet. Der Interessenausgleich beinhaltet die Umstrukturierung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin aufgrund eines Erwerberkonzepts. Darin ist die Übernahme von drei Filialen ab 01.10.2004 durch die Beklagte zu 2. vorgesehen. Die übrigen sechs Filialen werden geschlossen bzw. teilweise vom Beklagten zu 1. fortgeführt, soweit dies aus wirtschaftlichen und mietvertraglichen Gründen möglich ist. Von den ursprünglich 55 Beschäftigten der Gemeinschuldnerin sind nach dem Interessenausgleich 20 namentlich genannte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlassen. Die von der Beklagten zu 2. zu übernehmenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Interessenausgleich ebenfalls namentlich aufgeführt.
Die Betriebsparteien vereinbarten Auswahlrichtlinien, wonach das Lebensalter für jedes vollendete Lebensjahr ab 25. Lebensjahr einen Punkt zählt, maximal 30 Punkte. Jedes vollendete Beschäftigungsjahr zählt mit zwei Punkten. Im Rahmen der Unterhaltsverpflichtung erhalten Verheiratete vier Punkte und pro 0,5 Kind laut Steuerkarte werden zwei Punkte berechnet. Die Schwerbehinderung zählt fünf Punkte. Hinsichtlich der Vergleichbarkeit der Gruppen legten die Betriebsparteien fest, dass nur jeweils Verkäufer in Vollzeit und Verkäufer in Teilzeit miteinander vergleichbar sind. Dem Betriebsrat lag bei Abschluss des Interessenausgleichs eine komplette Personalliste mit den sozialen Daten aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin sowie zusätzlich eine Liste mit den errechneten Punkten vor.
Die Klägerin hält die Kündigung für sozialwidrig, weil die Auswahl der von der Beklagten zu 2. übernommenen Arbeitnehmer willkürlich sei. Sie sei mit der Arbeitnehmerin S3xxxxxxx, die wie sie 130 Stunden monatlich arbeite, sowie mit den Arbeitnehmerinnen Q1xxxx, K8xxxxx, S4xxxxx und R2xxxx vergleichbar. Sie sei auch bereit in Vollzeit zu arbeiten. Sie hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten, bei der Ermittlung der sozialen Punkte sei ihre Betriebszugehörigkeit nicht richtig berücksichtigt worden. Unter Zugrundlegung ihrer Betriebszugehörigkeit ab 01.10.1998 erreiche sie die 35 Punkte.
Der Beklagte zu 1. verweist bezüglich der Betriebsratsanhörung auf den Interessenausgleich. Zur Sozialauswahl hat er vorgetragen, dass Frau S3xxxxxxx mit der Klägerin nicht vergleichbar sei, weil sie 167 Stunden monatlich arbeite und mit 67 Sozialpunkten eine deutlich höhere Punktzahl als die Klägerin aufweise.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien sowie der im ersten Rechtszug gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 10.02.2005 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Kündigung sei nicht gemäß § 613 a Abs. 4 BGB wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden, sondern aus betriebsbedingten Gründen aufgrund der Sanierung des Betriebes der Insolvenzschuldnerin. Die Betriebsbedingtheit der Kündigung sei gemäß den §§ 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG, 125 InsO zu vermuten, weil die Klägerin in dem Interessenausgleich namentlich als zukündigende Arbeitnehmerin bezeichnet werde. Die nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfende soziale Auswahl sei nicht zu...