Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Sittenwidrigkeit einer Vergütungsvereinbarung. Stundenlohn von 7,00 EUR bei einer vereinbarten monatlichen Verdienstoberprämie von 400,00 EUR und Übernahme der Pauschalabgaben durch den Arbeitgeber. Sittenwidrigkeit einer Vergütungsvereinbarung - Darlegungslast der Arbeitnehmerin
Leitsatz (redaktionell)
Die einzelvertragliche Vereinbarung des Stundenlohnes von 7,00 EUR, bei einer monatlichen Vergütung von höchstens 400,00 EUR und Übernahme der Pauschalbeträge zur Sozialversicherung durch die Beklagte, ist im vorliegenden Fall nicht nach § 138 BGB unwirksam, so dass der Klägerin kein Anspruch auf Vergütung nach der Gehaltsgruppe II des Gehaltsabkommens für den Groß- und Außenhandel NRW nach § 612 BGB zusteht.
Normenkette
BGB § 612
Verfahrensgang
ArbG Paderborn (Entscheidung vom 23.08.2012; Aktenzeichen 1 Ca 695/12) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 23.08.2012 - 1 Ca 695/12 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Restvergütungsansprüche der Klägerin.
Die Beklagte, die nicht tarifgebunden ist, betreibt in P1 einen Großhandelsmarkt, den SB-Zentralmarkt E. F1.
Die am 06. Juni 1959 geborene Klägerin ist dort seit dem 18. Juli 2007 als Kassiererin auf der Grundlage des schriftlichen Arbeitsvertrages vom beschäftigt, der u. a. folgende Regelungen enthält:
...
§ 4 Lohn
Der Stundenlohn beträgt EUR 7,00, maximal 400,00 EUR im Monat.
Im Monatslohn sind die Sonderzahlungen (z.B. Urlaubsgeld, Jahressonderzahlung) bereits anteilig enthalten.
§ 5 Arbeitszeit
Die wöchentliche Arbeitszeit wird flexibel vereinbart. Der Arbeitgeber behält sich vor, eine Änderung der Arbeitszeit aus dringenden betrieblichen Gründen vorzunehmen.
§ 6 Andere Beschäftigung
Der Arbeitnehmer hat den Arbeitgeber darüber informiert, dass er keine anderen Beschäftigungsverhältnisse ausübt.
§ 7 Beiträge zur Sozialversicherung
Der Arbeitgeber zahlt die gesetzlich festgelegten Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung und gegebenenfalls zur Krankenversicherung.
Der Klägerin wurde bei Abschluss des Arbeitsvertrages mitgeteilt, dass sie eine Arbeitszeit von 57 Stunden pro Monat hat. Einigkeit bestand zwischen den Parteien beim Abschluss des Arbeitsvertrages auch darüber, dass der Vertrag so ausgestaltet war, dass die Klägerin maximal eine Vergütung in Höhe von 400,00 EUR pro Monat erzielen konnte. Bei dem bisherigen Stundenlohn von 7,00 EUR und einer monatlichen Arbeitszeit von 57 Stunden verdiente die Klägerin monatlich 399,00 EUR, die ihr netto ausgezahlt wurden.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin Vergütungsdifferenzansprüche für die Zeit von Januar 2009 bis einschließlich Juni 2012 geltend.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die arbeitsvertragliche Vergütungsvereinbarung, nach der ihr ein Stundenlohn von 7,00 EUR zustehe, sittenwidrig und damit unwirksam sei. Denn die gezahlte Vergütung entspreche nicht einmal 2/3 der üblicherweise gewährten Vergütung. Die Beklagte selbst zahle ihren vollzeitbeschäftigten Kassiererinnen einen Stundenlohn im Bereich von 13,30 EUR bis 13,80 EUR brutto. Da ihr mindestens ein Anspruch nach der Gehaltsgruppe 2 der tariflichen Bestimmung für den Groß- und Außenhandel NRW zustehe, stelle der gezahlte Stundenlohn von 7,00 EUR eine sittenwidrige Vergütung dar.
Eine weitere Benachteiligung der geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer bestehe darin, dass Teilzeitkräfte, die oberhalb der geringfügigen Grenze beschäftigt würden, für geleistete Mehrarbeit zumindest teilweise eine Vergütung erhielten, während bei geringfügigen Kräften dieses vollständig abgelehnt werde, obwohl die Beklagte auch diese Kräfte würden teilweise zum Bereitschaftsdienst heranziehe.
Keiner der geringfügig beschäftigten Arbeitnehmer habe seit dem Jahre 2009 eine der intern ausgeschriebenen Stellen mit einem größeren Beschäftigungsumfang erhalten, was ebenfalls eine Diskriminierung der geringfügig Beschäftigten sei, die bei der Dienstplangestaltung benachteiligt würden.
Schließlich werde sie auch hinsichtlich des Urlaubs gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmerinnen benachteiligt. Sie erhalte nur zwölf Tage Urlaub im Jahr, während die Beschäftigten üblicherweise einen sechswöchigen Jahresurlaub bekämen.
Die Tatsache, dass sie lediglich einen Nettolohn erhalte, stehe der Annahme der Sittenwidrigkeit der Vergütungsvereinbarung nicht entgegen, da dieser Umstand lediglich dazu geführt habe, dass der Staatskasse Steuereinnahmen entzogen und den Sozialversicherungsträgern Beiträge vorenthalten worden seien. Von der sittenwidrigen Bezahlung profitiere letztlich aber nur die Beklagte.
Da die vereinbarte Vergütung sittenwidrig sei, stehe ihr ein Anspruch auf Zahlung der tariflichen Vergütung nach der Gehaltsgruppe 2 zu. Die Differenz zwischen der gezahlten und der tariflich geschuldeten Vergütung betrage für das Jahr 2009 3.811,00 EUR, für das Jahr 2010 3.996,99 EUR, für das Jahr 2011 4.198,12 EUR und für die Ze...