Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Urteil vom 29.10.1996; Aktenzeichen 5 Ca 1575/96) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29.10.1996 (5 Ca 1575/96) abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 21.000,00 DM festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung sowie über die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung.
Die Beklagte unterhält einen Betrieb, in dem Türen und Fenster aus Kunststoff hergestellt werden. Sie beschäftigt insgesamt ca. 400 Arbeitnehmer, die einen Betriebsrat gewählt haben.
Der am 12.06.1972 geborene, verheiratete Kläger war bei der Beklagten seit 02.09.1991 in der Abteilung PVC-Fertigung auf der Kostenstelle 2610 als Produktionshelfer zu einem monatlichen Lohn von 4.100,00 bis 4.300,00 DM brutto beschäftigt. Am 01.03.1994 hat er einen Arbeitsunfall erlitten. Die Unfallmeldung selbst hat er erst am 29.07.1994 erstellt. Wegen der Beeinträchtigung der Sehkraft eines Auges ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20% anerkannt worden. Das vom Kläger insoweit angestrengte sozialgerichtliche Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Die Beklagte fertigt in drei verschiedenen Fertigungslinien, nämlich der Linie Atlantic, SOK und Sahara. Die Fertigungslinie Atlantic wurde in der Vergangenheit im Zwei-Schicht-Betrieb durchgeführt, jeweils waren 33 Arbeitnehmer
in einer Schicht tätig. Die Beklagte entschloß sich sodann, die Atlantic-Linie zukünftig nur noch im Ein-Schicht-Betrieb zu betreiben. Dazu schloß sie mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan ab. Es kam zu 32 betriebsbedingten Kündigungen, ein Meister hatte innerbetrieblich auf einem freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden können. Durch die Umstellung auf die einschichtige Produktionsweise in der Fertigungslinie Atlantic ist auch ein Arbeitsplatz im Bereich des Blendrahmenschweißens betroffen worden. In diesem Bereich war der Kläger zuletzt tätig und ist nach Tarifgruppe IV vergütet worden. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte ihm wie folgt.
Hiermit kündigen wird das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31.05.1996.
Die anhaltend schwache Auftragssituation und die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Hause machen eine Anpassung des Kostenvolumens notwendig. Dies hat zur Folge, daß aus betriebsbedingten Gründen Produktionskapazitäten in der PVC-Fensterfertigung angepaßt werden müssen. Dadurch bedingt ist auch Ihr Arbeitsverhältnis betroffen. Unter Beachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Sozialauswahl können wir Sie deshalb nicht mehr weiterbeschäftigen.
Der Betriebsrat ist gemäß den gesetzlichen Bestimmungen vor Ausspruch der Kündigung angehört worden.
Wir bedauern diese Entscheidung sehr. Für die Zukunft wünschen wir Ihnen alles Gute.
Hiergegen hat der Kläger sich mit seiner am 14.05.1996 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage zur Wehr gesetzt.
Er hat vorgetragen, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, ihm aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zu kündigen. Die im Betrieb verbliebenen Arbeitnehmer arbeiteten täglich zehn Stunden und auch samstags. Im übrigen sei die soziale Auswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Aus seinem Tätigkeitsbereich seien die Arbeitnehmer S….. und G–––- weniger sozial schutzwürdig als er. Beide seien erst seit einem Jahr beschäftigt. Der Arbeitnehmer S….. sei zwar 38 Jahre alt, habe aber keine Unterhaltsverpflichtungen. Der Zeuge G––– sei erst 32 Jahre alt und gegenüber zwei Personen unterhaltsverpflichtet. Er selbst sei seiner Ehefrau gegenüber unterhaltsverpflichtet. Im übrigen könne er auch in anderen Arbeitsbereichen eingesetzt
werden, in denen es weniger schutzwürdige Arbeitnehmer gebe, nämlich S…. Y…, V…. Y… und B….. C…
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 26.04.1996 – zugegangen am 29.04.1996 – nicht aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Arbeiter über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, daß sie aufgrund der stark zurückgegangenen Aufträge die Produktionsplanung nach unten habe korrigieren müssen. Deshalb sei die zweite Schicht in der Atlantic-Linie eingestellt worden. In ihrem Betrieb würde in verschiedenen Arbeitsgruppen gearbeitet, in denen unterschiedliche Anforderungen gestellt und die Arbeitnehmer nach unterschiedlichen tariflichen Gruppen vergütet würden. Dementsprechend habe sie zur Sozialauswahl die Arbeitnehmer nach ihrem Kenntnisstand und Fähigkeiten in Gruppen eingeteilt. Nach der Tarifgruppe IV, in der der Kläger eingestuft sei, würden Arbeiten verlangt, die in der Regel eine sechsmonatige Anlernung und im Zusammenhang damit bestimmte Fertigkeiten und Kennt...