Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der sachgrundlosen Befristung mit einer Gesamtdauer von 7 Jahren auf Grund des Tarifvertrages über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau vom 01.08.2010
Leitsatz (amtlich)
Ein Tarifvertrag, der die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen bis zu einer Gesamtdauer von sieben Jahren bei siebenmaliger Verlängerungsmöglichkeit zulässt, hält sich nicht im Rahmen des verfassungs- und unionsrechtlich zulässigen Gestaltungsrahmens nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG.
Die auf der Grundlage des Tarifvertrages über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau vom 01.08.2010 vereinbarte sachgrundlose Befristung mit einer Gesamtdauer von sieben Jahren ist unwirksam.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Rheine (Entscheidung vom 16.12.2015; Aktenzeichen 5 Ca 1279/15) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 16.12.2015 - 5 Ca 1279/15 - abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund vereinbarter Befristung mit Ablauf des 31.08.2015 geendet hat.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 25.08.2008 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses auf den 31.08.2015. Daneben begehrt der Kläger seine Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits.
Der 1983 geborene Kläger absolvierte von Februar 2004 bis zum März 2008 eine Berufsausbildung als KfZ-Mechatroniker bei der S Aktiengesellschaft und war anschließend als Arbeitnehmer dort tätig, die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis erfolgte befristet bis zum 30.11.2008 (Bl. 259 - 261 GA). Am 19./30.08.2008 schlossen der Kläger und die S Aktiengesellschaft einen Aufhebungsvertrag zum 31.08.2008 (Bl. 35, 36 GA = Bl. 262, 263 GA). Anschließend war der Kläger sieben Jahre lang vom 01.09.2008 bis zum 31.08.2015 auf der Grundlage mehrerer befristeter Arbeitsverträge bei der Beklagten beschäftigt:
Vertragsdatum |
Laufzeit |
25.08./28.08.2008 |
01.09.2008 bis 30.11.2012 (Bl. 37 GA) |
01.06./10.08.2012 |
verlängert bis zum 30.11.2013 (Bl. 38 GA) |
08.11./29.11.2012 |
verlängert bis zum 30.11.2014 (Bl. 39 GA) |
01.08./29.10.2013 |
verlängert bis zum 31.08.2015 (Bl. 40 GA). |
Der Kläger ist Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE). Die Beklagte ist Mitglied im Unternehmerverband Steinkohlenbergbau. Die Beklagte ist eine 100%ige Tochter der S AG. Mit dem Steinkohlefinanzierungsgesetz vom 20.12.2007 hat der Gesetzgeber die Beendigung der subventionierten Steinkohlenförderung in Deutschland zum Ende des Jahres 2018 bestimmt.
Im Arbeitsvertrag vom 25./28.08.2008 wird auf die tariflichen Bestimmungen für den Ibbenbürener Steinkohlenbergbau Bezug genommen. Die drei nachfolgenden Verträge verweisen jeweils auf den "Tarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau vom 29.06.2007, mit Änderung vom 01.08.2010". Der "Tarifvertrag über befristete Arbeitsverhältnisse im deutschen Steinkohlenbergbau vom 29.06.2007 in der Fassung vom 1. August 2010" lautet auszugsweise (fortan: TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010 / Kopie Bl. 44 GA):
§ 1
In Abweichung zu § 14 Abs. 2 TzBfG können im deutschen Steinkohlenbergbau nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen befristete Arbeitsverträge geschlossen werden.
§ 2
(1) Der Arbeitsvertrag kann abweichend von § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG bis zur Gesamtdauer von sieben Jahren ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes befristet werden, soweit nicht gesetzlich eine längere sachgrundlose Befristung zulässig wird.
(2) Innerhalb dieser Zeitspanne kann der Arbeitsvertrag bis zu siebenmal verlängert werden.
§ 3
Der Abschluss und die Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages erfolgen schriftlich.
§ 4
Soweit befristete Arbeitsverhältnisse eine Laufzeit von mehr als 12 Monaten haben, unterliegen sie den tarifvertraglichen Kündigungsfristen.
§ 5
Der Tarifvertrag tritt am 1. Juli 2007 in Kraft. ...
Wegen des vorausgegangenen TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007 wird auf die zur Akte gereichte Kopie verwiesen. Dort war eine Befristung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Gesamtdauer von fünf Jahren mit bis zu fünfmaliger Verlängerung für zulässig erklärt (§ 2 TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007 / Bl. 275 GA). Kopien der beiden Tarifverträge mit den für die Tarifvertragsparteien geleisteten Unterschriften finden sich auf Bl. 131, 132 GA.
Der Kläger wurde auf einer Schachtanlage der Beklagten "als Metallfacharbeiter 1 in der Lohngruppe 08" eingesetzt (Bl. 264 GA). Das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen des Klägers belief sich auf 3.481,71 €.
Die Befristungskontrollklage ist am 09.07.2015 bei dem Arbeitsgericht Rheine eingegangen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die sachgrundlose Befristun...