Entscheidungsstichwort (Thema)
Gratifikation. einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Freiwilligkeitsvorbehalt. In-haltskontrolle
Leitsatz (amtlich)
Eine formularmäßige arbeitsvertragliche Klausel, nach welcher eine nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Weihnachtsgratifikation mit einem bestimmten Prozentsatz „der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe” zusammen mit dem Novembergehalt ausgezahlt wird, stellt keinen Freiwilligkeitsvorhalt dar, sondern begründet ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers i.S.d. § 315 BGB, welches trotz fehlender Angabe von Kriterien der Leistungsbestimmung der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB standhält.
Normenkette
BGB §§ 611, 307, 315
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Urteil vom 17.05.2011; Aktenzeichen 1 Ca 2230/10) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 17.05.2011 – 1 Ca 2230/10 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner Klage verlangt der Kläger, der aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 8 ff. d. A.) bei der Beklagten beschäftigt ist, die Zahlung von Weihnachtsgeld in Anlehnung an tarifliche Regeln und macht zur Begründung geltend, die im Arbeitsvertrag enthaltenen Klausel über die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation sei vollkommen intransparent und deshalb unwirksam. An die Stelle der unwirksamen Regelung trete damit die branchenübliche Regelung der Metallindustrie, welche die Zahlung von Weihnachtsgeld in Höhe von 55 % des Monatsverdienstes vorsehe. Unter Berücksichtigung erbrachter Leistungen errechnet der Kläger für den Zeitraum 2007 bis 2010 einen ihm zustehenden Differenzbetrag in Höhe von 4887 EUR brutto.
Die in § 6 des Arbeitsvertrages enthaltene Regelung lautet wie folgt:
§ 6 Vergütungen
Weihnachtsgratifikation 50 % bei einer Betriebszugehörigkeit von mind. 6 Monaten
100 % bei einer Betriebszugehörigkeit von 12 Monaten
der vom Arbeitgeber jeweils pro Jahr festgelegten Höhe der Weihnachtsgratifikation. Sie wird zusammen mit dem Novemberlohn/-gehalt im jeweiligen Jahr ausgezahlt.
Der Kläger ist der Auffassung, die Vertragsbestimmung, nach welcher die Weihnachtsgratifikation in Abhängigkeit von der Dauer der Betriebszugehörigkeit 50 oder 100 Prozent der vom Arbeitgeber jeweils festgelegten Höhe betrage, sie vollkommen intransparent, da nicht erkennbar sei, nach welchen Kriterien die Ausgangsgröße der Leistung bestimmt werde. Damit trete an die Stelle der intransparenten und somit unwirksamen Regelung die branchenübliche tarifliche Regelung, welchen ein Weihnachtsgeld in Höhe von 55 % des Monatsverdienstes betrage.
Durch Urteil vom 17.05.2011 (Bl. 151 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren Sachverhalts und der Fassung der Klageanträge verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, die in § 6 des Arbeitsvertrages enthaltene Klausel stelle einen zulässigen Freiwilligkeitsvorbehalt dar, da sie auch eine Festlegung der Leistung in der Höhe „null” zulasse.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und beantragt,
das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 17.05.2011, 1 Ca 2230/10, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.487,00 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 11.12.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.
I. In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil steht dem Kläger der verfolgte Zahlungsanspruch nicht zu.
1. Das Arbeitsgericht hat die vom Kläger vorgetragenen Bedenken gegen die Wirksamkeit der in § 6 getroffenen Regelung mit der Erwägung zurückgewiesen, die Regelung beinhalte einen Freiwilligkeitsvorbehalt, da dem Arbeitgeber die jährliche Neufestlegung der Leistung überlassen bleibe und die Leistung auch in der Höhe „Null” festgelegt werden könne.
Dieser Auslegung des Arbeitsvertrages folgt die Kammer nicht. Weder enthält die fragliche Regelung einen Hinweis auf die Freiwilligkeit der Leistung, noch wird ausdrücklich ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers für die Zukunft ausgeschlossen. Mit der Formulierung, dass die Weihnachtsgratifikation in der vom Arbeitgeber festgelegten Höhe zusammen mit dem Novemberlohn im jeweiligen Jahr ausgezahlt wird, kommt vielmehr hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass der Arbeitgeber zwar eine Gratifikationsleistung nicht voraussetzungslos verspricht, sondern sich die Entscheidung über die Leistung nach Modalitäten und Höhe vorbehält, andererseits es nicht in seinem Belieben steht, ob er überhaupt eine Weihnachtsgratifikation zahlen will. Eine völlige freie Entscheidung im Sinne eines Freiwilligkeitsvorbehalts stünde in Widerspruch mit der Formulierung, dass die Weihnachtsgratifikation „ausgezahlt” wird, also beansprucht werden kann (vgl. BAG, 10.12.2008, 10 AZR 1/08, AP BGB § 307 Nr. 40). Da...