Entscheidungsstichwort (Thema)
Jahressonderzahlung für Auszubildende
Leitsatz (amtlich)
Auszubildende haben im Anwendungsbereich des Manteltarifvertrages für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.
Normenkette
MTV Hotel- und Gaststättengewerbe NRW § 9 M
Verfahrensgang
ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 25.11.2009; Aktenzeichen 5 Ca 2439/08) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 25.11.2009 – 5 Ca 2439/08 – abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 319,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.12.2007 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf die Jahressonderzahlung gemäß § 9 des Manteltarifvertrages für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen hat.
Der Kläger war bei der Beklagten als Auszubildender zum Konditor gegen eine monatliche Ausbildungsvergütung von 639,00 Euro brutto beschäftigt. Auf das Ausbildungsverhältnis fand der allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen (i.F. MTV) Anwendung. Im Dezember 2007 zahlte die Beklagte den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern eine Jahressonderzahlung in Höhe von 50 % des tariflichen Monatseinkommens. Der Kläger erhielt, im Gegensatz zum Vorjahr, keine Jahressonderzahlung. Mit Schreiben vom 13.02.2008 machte der Kläger neben drei weiteren Auszubildenden der Beklagten gegenüber die Jahressonderzahlung gemäß § 9 des MTV geltend. Mit Schreiben vom 18.02.2008 lies die Beklagte durch ihre Prozessbevollmächtigte mitteilen, dass sie eine Jahressonderzahlung für 2007 an den Kläger nicht leisten werde. Der vom Kläger angerufene Ausschuss zur Schlichtung von Lehrlingsstreitigkeiten hat am 20.05.2008 getagt und das Scheitern des Schlichtungsverfahrens festgestellt. Wegen der Einzelheiten des Sitzungsprotokolls vom 20.05.2008 wird auf Blatt 8 der Akte Bezug genommen. Das gemäß § 19 MTV durchgeführte Schiedsverfahren wurde ohne Ergebnis beendet.
Mit vorliegender Klage, die am 28.05.2008 beim Arbeitsgericht Gelsenkirchen einging, verfolgt der Kläger den geltend gemachten Anspruch weiter.
Der Kläger hat vorgetragen, der persönliche Anwendungsbereich des MTV erstrecke sich auf Arbeitnehmer und Auszubildende. Es sei davon auszugehen, dass mit der Bezeichnung „Arbeitnehmer” in den Regelungen des MTV auch Auszubildende gemeint seien. Die Unterscheidung in § 7 Ziffer 7.4.3 des MTV zwischen Arbeitnehmern und Auszubildenden könne nicht automatisch auf alle Regelungen des MTV übertragen werden, deren Wortlaut allein von Arbeitnehmern spreche. Andernfalls wären auch die Entlohnung gemäß § 5, insbesondere Ziffer 5.3.4, die Arbeitsbefreiung und Arbeitsunfähigkeit gemäß § 8, die Regelung zur Berufskleidung gemäß § 10 bzw. die Kautionen gemäß § 11 MTV nur für Arbeitnehmer geregelt. Dies sei nicht der Wille der Tarifvertragsparteien gewesen, die den persönlichen Anwendungsbereich des MTV gleichermaßen auf Arbeitnehmer und Auszubildende erstreckt hätten.
Auch in Gesetzen, die dem Schutz des Arbeitnehmers dienten, z.B. dem Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) und dem Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz), werde nicht zwischen Arbeitnehmern und Auszubildenden unterschieden. Unterscheide der Gesetzgeber in Einzelfällen doch ausdrücklich zwischen Arbeitnehmern und Auszubildenden, so geschehe dies immer zu Gunsten der Auszubildenden, beispielsweise durch Schutzgesetze, die ihr Alter und ihre Situation berücksichtigten. Dies gelte auch für tarifliche Regelungen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 319,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.12.2007 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, Auszubildenden stehe eine Jahressonderzahlung nach § 9 MTV nicht zu. § 1 des MTV differenziere zwischen Arbeitnehmern und Auszubildenden. Gleiches gelte für die Regelungen zur Arbeitszeit in § 3 MTV. Auch beim Urlaubsgeld gemäß § 7 MTV unterscheide der Tarifvertrag eindeutig zwischen Arbeitnehmern und Auszubildenden. Aus dieser Systematik ergebe sich, dass eine Jahressonderzahlung für Auszubildende nicht geschuldet werde. Dies folge schon daraus, dass die Regelungen in § 9 MTV hinsichtlich der Jahressonderzahlung auf die Betriebstreue abstellten. Mit steigender Betriebszugehörigkeit würden Arbeitnehmer mit einer höheren Sonderzahlung belohnt. Auszubildende erfüllten diese Voraussetzung jedoch nicht, da das Ausbildungsverhältnis aufgrund einer Befristung nach drei Jahren ende.
Das Arbeitsgericht hat die Tarifvertragsparteien um Auskunft darüber gebeten...