Entscheidungsstichwort (Thema)
krankheitsbedingte Kündigung. Verwertung eines in einem anderen Verfahren erstatteten Gutachtens. Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem schwerbehinderten Masseur und medizinischen Bademeister. Verwertbarkeit eines anderweit eingeholten Gutachtens
Leitsatz (redaktionell)
Das Gericht kann im Rahmen des ihm gem. § 411a ZPO eingeräumten Ermessens eine schriftliche Begutachtung durch die Verwertung eines gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich in einem anderen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten ersetzen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2, § 411a; ZPO § 412; ArbGG § 68
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 06.12.2011; Aktenzeichen 4 Ca 2215/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 06.12.2011 - 4 Ca 2215/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die rechtliche Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers.
Der 1949 geborene, verheiratete Kläger weist einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 auf und ist seit Juli 1986 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen als Masseur und medizinischer Bademeister gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag vom 18.04.1989 (Blatt 5 d. A.) beschäftigt. Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von zuletzt 28,875 Stunden belief sich das Bruttomonatsentgelt des Klägers auf 1.856,42 €. Das ehemals mit der H1-Klinikum S1 GmbH bestandene Arbeitsverhältnis ging zum 01.02.2007 durch Betriebsteilübergang (Übernahme der Physiotherapie im H1-Klinikum) auf die Beklagte über.
Nach Schließung der Bäderabteilung im H1-Klinikum im Jahr 2006 wurden die Masseure und Bademeister faktisch als Physiotherapeuten eingesetzt. Dabei machte die Massagetätigkeit zuletzt höchstens 10 % ihrer Arbeitszeit aus. Überwiegend durchgeführt wurden aktive und passive Mobilisationen, Mobilisationsgymnastik, Atemtherapie und Anwendungen (wesentlich Heißluft, Elektrotherapie, Packungen).
Die Beklagte betreibt ein Zentrum für ambulante Rehabilitation, Prävention, Sportphysiotherapie, Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie. In der von ihr vorgehaltenen Bäderabteilung wird laut Homepage der Beklagten Aquajogging, Aqua-Rücken und Aquafitness durchgeführt, daneben auch Balneo-Therapie. Hierbei handelt es sich um eine therapeutische Form der Behandlung mit Wasser aus Heilquellen. Zur Balneo-Therapie rechnen auch innere Anwendungen wie Trinkkuren und Inhalationen sowie medizinische Bäder, letztere z. B. als Bewegungsbad, Moorbad, Kohlensäurebad, Sauerstoffbad, Solebad, Schwefelbad, Jodbad, Kleie- und Malzbad sowie Inhalationsbad.
Als medizinischer Bademeister ist der Kläger berechtigt, die Balneo-Therapie durchzuführen. Für die Durchführung von Aquajogging benötigte der Kläger indes ein zusätzliches Zertifikat. Bewegungsbäder sind von ihm jedoch ohne weitere Qualifikationen durchführbar.
Wegen Wirbelsäulendegeneration und insbesondere einer hochgradigen Hüftgelenksarthrose wurde der Kläger unter dem 15.04.2007 zunächst bis auf weiteres arbeitsunfähig krankgeschrieben. Am 15.01.2008 wurde ihm eine Hüftgelenksprothese implantiert.
Der den Kläger behandelnde Arzt G1 stellte unter dem 20.10.2008 ein ärztliches Attest aus, für dessen auszugsweisen Inhalt auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (dort S. 3, 4, Blatt 100, 101 d. A.) verwiesen wird.
Der Arzt G1 erklärte später den Kläger für ab dem 01.12.2008 arbeitsfähig. Der Kläger nahm an diesem Tag die Arbeit bei der Beklagten auf. Nach rund zwei Stunden an diesem ersten Arbeitstag forderte der therapeutische Leiter der Beklagten ihn auf, die Arbeit einzustellen, da er weiterhin für arbeitsunfähig gehalten werde.
Die Beklagte beantragte unter dem 12.05.2009 bei dem zuständigen Integrationsamt die Zustimmung zu einer beabsichtigten ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Kläger.
Im Rahmen des Zustimmungsverfahrens forderte das Integrationsamt eine Stellungnahme des den Kläger behandelnden Facharztes G1 an. Dieser teilte mit ärztlicher Bescheinigung vom 24.08.2009 mit, dass sich die Arbeitsfähigkeit des Klägers ab dem 01.12.2008 aus einer Besserung des Krankheitsbildes ergeben habe. Für die weiteren Ausführungen des Facharztes G1 wird verwiesen auf S. 4, 5 des Tatbestands des erstinstanzlichen Urteils (Blatt 101, 102 d. A.).
Im weiteren Verlauf des Zustimmungsverfahrens vor dem Integrationsamt gelangten die Parteien unter dem 03.12.2009 übereinstimmend zu dem Ergebnis, ein arbeitsmedizinisches Gutachten über das Zentrum für Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin H2, dort Dr. M1, in Auftrag zu geben. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 22.03.2010 fest, dass aufgrund diverser chronischer degenerativer Veränderungen, die zum Teil operativ saniert werden konnten oder noch saniert werden müssen, zum Teil nicht korrigierbare Veränderungen, die zur Einschränkung der Leistungsfähigkeit führen, verb...