Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung eines Arbeitsvermittlers. Mittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien. Zulässigkeit von Stichtagsregelungen im Tarifvertrag. Rechtmäßigkeit der beitragsfreien Stufenzuordnung im Tarifvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 29b TVÜ-VKA verstößt nicht gegen Art. 3 GG. Die betragsfreie Stufenzuordnung für auf Antrag höhergruppierte Beschäftigte verletzt nicht das Verbot der Altersdiskriminierung.

 

Normenkette

ZPO § 256 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; TVÜ-VKA § 29b

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 18.07.2019; Aktenzeichen 6 Ca 1446/19)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 18.07.2019 - 6 Ca 1446/19 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die stufengleiche Eingruppierung des Klägers zum 1.3.2017 in die Entgeltgruppe 9c, Stufe 4 der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) Teil A I Nr. 3.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1.1.2013 als Arbeitsvermittler beschäftigt. Kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem TVöD-VKA einschließlich der Entgeltordnung und dem TVÜ-VKA in den jeweils geltenden Fassungen. Die Beklagte veröffentlichte eine Rundverfügung 2016 aus November 2016, wegen deren Einzelheiten auf die zu der Akte gereichte Kopie (Bl. 8-9 der Akte) verwiesen wird. Der Kläger erhielt zunächst eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9. Mit Wirkung zum 1.1.2017 wurde der Kläger in die Entgeltgruppe 9b, Stufe 3 übergeleitet. Im Februar 2017 erreichte der Kläger die Stufe 4. Die Stelle des Klägers ist nach dem übereinstimmenden Parteivortrag nach den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltordnung hinsichtlich ihrer Wertigkeit seit dem 1.1.2017 der höheren Entgeltgruppe 9c zugeordnet. Mit Schreiben vom 4.4. und 16.6.2017 beantragte der Kläger, ihn rückwirkend seit dem 1.3.2017 nach der Entgeltgruppe 9c, Stufe 4 zu vergüten. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 24.5. und 30.6.2017 unter Hinweis auf § 29b Abs. 2 TVÜ-VKA ab.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA sei rechts- und verfassungswidrig. Die Tätigkeit, die ihn berechtige, nach der Entgeltgruppe 9c vergütet zu werden, übe er seit Beginn seiner Tätigkeit für die Beklagte aus, sodass er die Stufe 4 erreicht habe. § 29b TVÜ-VKA hindere ihn letztendlich daran, einen Antrag zu stellen, nach der von ihm ausgeübten Tätigkeit vergütet zu werden, da er anderenfalls erheblich weniger verdienen würde. Dies wäre kurioserweise nicht so, wenn er schon im Januar 2017 die Stufe 4 erreicht hätte. Damit sei die Regelung absolut ungerecht und lückenhaft. Ab März Ungerechtigkeiten zu vermeiden und diese für die Monate Januar und Februar bestehen zu lassen, sei nicht hinnehmbar. Die Ungerechtigkeit zeige sich auch daran, dass er mit seinem Anliegen durchdringen würde, wenn er sich auf eine andere, nach der Entgeltgruppe 9c bewertete Stelle erfolgreich bewerben würde. Die Beklagte hätte ihn zudem schon seit dem 1.1.2017 auch ohne Antrag in die Entgeltgruppe 9c eingruppieren müssen, sodass er dann ab dem 1.2.2017 die Stufe 4 erhalten hätte. Schließlich liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor. Die Beklagte gewähre Zulagen an in der Entgeltgruppe 9b verbliebene Mitarbeiter, die dazu führten, dass diese Mitarbeiter eine Vergütung erhielten, die der Entgeltgruppe 9c entspreche. Dies belege das von ihm vorgelegte Schreiben des Jobcenters E vom 10.5.2019.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihn antragsgemäß ab dem 1.3.2017 nach der Entgeltgruppe E 9 c unter Einbehaltung der Einkommensstufe 4 zu entlohnen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, eine Vergütung des Klägers nach der Stufe 4 der Entgeltgruppe 9c verstoße gegen die tariflichen Regelungen. Denn gemäß § 29b Abs. 2 TVÜ-VKA richteten sich die Stufenzuordnungen bei der Höhergruppierung aufgrund struktureller Verbesserungen in der neuen Entgeltordnung nach den Regelungen für Höhergruppierungen (§ 17 Abs. 4 TVöD-VKA) in der bis zum 28.2.2017 geltenden Fassung. Sie erfolgten mithin nicht stufen-, sondern betragsgleich. Die Tarifautomatik des § 12 Abs. 2 Satz 1 TVöD-VKA sei gemäß § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA ausdrücklich für die Fälle außer Kraft gesetzt worden, in denen sich durch die neue Entgeltordnung eine höhere Entgeltgruppe ergebe. Die Zulagengewährung an bestimmte Mitarbeiter basiere auf Nr. 7 Abs. 3 der Grundsätzlichen Eingruppierungsregelungen (Vorbemerkungen) und folge im Übrigen den gleichen Regelungen wie bei der Höhergruppierung. Mit dem Schreiben vom 10.5.2019 sollten nur allgemein gehalten sämtliche Personenkreise abgedeckt werden, die für ein Interessenbekundungsverfahren in Betracht gekommen seien. Es gebe keine Mitarbeiter in der Entgeltgruppe 9b, die eine Zulage auf 9c erhielten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 18.7.2019 abgewiesen u...

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