Entscheidungsstichwort (Thema)
Versetzung. Direktionsrecht. erweitertes Direktionsrecht
Leitsatz (amtlich)
§ 8 des TV über die Lohn- und Gehaltssicherung für Arbeitnehmer der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens verleiht dem Arbeitgeber nicht die Befugnis, den Arbeitnehmer einseitig auf einen geringer vergüteten Arbeitsplatz zu versetzen. Eine sogenannte tarifvertragliche Erweiterung des Direktionsrechts des Arbeitgebers würde sich als objektive Umgehung des § 2 KSchG darstellen.
Normenkette
GewO § 106; TV Lohn-Gehaltssicherung Metallindustrie NRW §§ 2, 8; KSchG § 2
Verfahrensgang
ArbG Arnsberg (Urteil vom 04.07.2006; Aktenzeichen 1 Ca 42/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 04.07.2006 – AZ: 1 Ca 42/06 – wird dieses abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.422,86 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 367,50 EUR seit dem 01.12.2005, aus weiteren 367,50 EUR seit dem 01.03.2006, aus weiteren 477,18 EUR seit dem 01.04.2006 und aus weiteren 477,18 EUR seit dem 01.05.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Lohnansprüche.
Der am 20.10.1950 geborene Kläger ist seit dem 11.03.1970 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt. Die Parteien unterliegen kraft Tarifgebundenheit den tariflichen Bestimmungen der Metallindustrie in Nordrhein-Westfalen.
Der Kläger wurde eingestellt unter Eingruppierung in die Lohngruppe 5 nach den damaligen Bestimmungen des Lohnrahmenabkommens für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen (LRA). Seit 1977 war er als Vorarbeiter bei der Beklagten tätig. Jedenfalls ab April 1990 war er in die Lohngruppe 6 eingruppiert, danach seit dem 01.12.1995 durchgängig in der Lohngruppe 5. In dieser Zeit wurde der Kläger in der Lackiererei der Beklagten beschäftigt.
Der Kläger leidet seit dem Jahr 2003 an einer Beeinträchtigung des Hör- und Gleichgewichtssinns. Diesbezüglich ist Grad der Behinderung von 40% festgestellt.
Die Beklagte hat den Kläger in ihre Montageabteilung versetzt. Der Zeitpunkt ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls beantragte die Beklagte bei dem in ihrem Betrieb gebildeten Betriebsrat die Zustimmung zur Versetzung des Klägers und weiterer neun Mitarbeiter im März 2005. Der Betriebsrat stimmte dem durch Beschluss am 22.07.2005 einstimmig zu. Aus der Sicht der Beklagten ist die Versetzung des Klägers in die Montageabteilung zum 01.04.2005 wirksam geworden. Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger in der Montageabteilung mit Tätigkeiten beschäftigt wird, die solchen der Lohngruppe 3 entsprechen. Dies teilte sie dem Kläger mit Schreiben vom 03.05.2005, diesem übergeben am 18.05.2005, mit. Der Kläger antwortete daraufhin mit Schreiben vom 23.05.2005:
”Antrag auf Entgeltsicherung für ältere AN gem. § 18 MTV für die Metallindustrie NRW
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit beantrage ich wegen ständiger, gesundheitsbedingter Minderung meiner Leistungsfähigkeit die Entgeltsicherung gem. § 18 MTV für die Metallindustrie NRW.
Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Entgeltsicherung werden von mir erfüllt, ich bin 54 Jahre alt, und seit 35 Jahren in der Fa. S3x D3xxxx GmbH beschäftigt.
Mit dem Wechsel meines Arbeitsplatzes von der Lackiererei zur Montage bin ich bei Gewährung der Entgeltsicherung einverstanden.
Eine entsprechende ärztliche Bescheinigung ist Ihnen bekannt, wie auch eine Begutachtung durch den Werksarzt.
Ihrer positiven Antwort entgegensehend verbleibe ich
mit freundlichen Grüssen”
Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 08.06.2005:
„Ihr Antrag auf Entgeltsicherung vom 23.05.2005
Sehr geehrter Herr S1xxxxxx,
Ihren o.g. Antrag auf Entgeltsicherung haben wir erhalten. Wir stimmen Ihrem Antrag zu.
Wir weisen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass von der Entgeltsicherung im Sinne des § 18 MTV nur Versetzungen auf geringer entlohnte Arbeitsplätze erfasst werden, die aus gesundheitlichen Gründen erfolgen.
Die bisher erfolgten Versetzungen erfolgten aus betrieblichen Gründen (Entfall von Lackiertätigkeiten) und fallen somit nicht unter den Anwendungsbereich des § 18 MTV.
Mit freundlichen Grüßen”
Die Vergütungsdifferenz beträgt monatlich 477,18 EUR zum Nachteil des Klägers. Aufgrund einer Verdienstsicherungsklausel nach dem Tarifvertrag über die Lohn- und Gehaltssicherung für Arbeitnehmer der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens vom 25.01.1979 (TV LGS) zahlte die Beklagte das bisherige Arbeitsentgelt des Klägers zunächst für die Dauer von sieben Monaten fort. Seit November 2005 zahlt sie an den Kläger nur noch das verminderte Arbeitsentgelt, basierend auf einer Eingruppierung in die Lohngruppe 3 nebst diversen Zulagen.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger Entgeltdifferenzen für die Monate November 2005...