Gegen dieses Urteil kann von jeder Partei Berufung eingelegt werden

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatz nach fristloser Kündigung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Abfindung als entgangener Gewinn

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Schadensersatzansprüche nach § 628 Abs. 2 BGB sind nicht aufgrund von § 113 InsO auf 3 Monatsgehälter beschränkt, wenn die Kündigung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzschuldner ausgesprochen wurde.

2. Ein weitergehender Schadensersatzanspruch aus § 628 Abs. 2 BGB auf eine Abfindung entsprechend den §§ 9, 10 KSchG setzt voraus, dass im Fall einer arbeitgeberseitigen Kündigung eine Abfindung nach § 9 KSchG zu erwarten gewesen wäre. Davon ist bei einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers aufgrund Zahlungsverzuges vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich nicht auszugehen.

 

Normenkette

BGB § 628 Abs. 2; InsO § 113; KSchG § 9

 

Verfahrensgang

ArbG Herford (Aktenzeichen 1 Ca 1686/03)

 

Tenor

Es wird festgestellt, dass dem Kläger in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma T1. eine Insolvenzforderung in Höhe von 12.688,50 EUR zusteht. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 60 % und der Beklagte zu 40 %.

Streitwert: 3.200,–EUR

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob dem Kläger Schadensersatzansprüche als Insolvenzforderung zustehen.

Der Kläger war seit dem 09.09.1984 bei der T1. beschäftigt. Er bekam seit Juli 2002 die Vergütung nur schleppend ausbezahlt. Für den Monat Dezember 2002 ist ihm nur ein Teil der Vergütung gezahlt worden. Für die Monate Januar und Februar 2003 erhielt er keine Vergütung mehr. Deswegen kündigte er mit Schreiben vom 07.03.2003 fristlos.

Am selben Tag stellte die T1. Insolvenzantrag. Das vorläufige Insolvenzverfahren wurde am 10.03.2003 eröffnet. Mit Beschluss vom 18.03.2003 hat das Amtsgericht Bielefeld das Insolvenzverfahren über das Vermögen der T1. eröffnet und gleichzeitig den Beklagten zum Insolvenzverwalter ernannt. Im Insolvenzverfahren ist mit einer Quote von weniger als 10 % zu rechnen.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stünde zum einen seine fiktive Vergütung für den Zeitraum der arbeitgeberseitigen Kündigungsfrist als Schadensersatz zu, d.h. 6 Monate * 2.114,75 Euro brutto je Monat = 12.688,50 Euro. Zum anderen habe er entsprechend den §§ 9, 10 KSchG einen Anspruch auf Zahlung von 19.561,44 Euro.

Er beantragt, festzustellen, dass ihm in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma T1. eine Insolvenzforderung in Höhe von 32.249,94 Euro zusteht.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, vor der fristlosen Eigenkündigung sei eine Abmahnung erforderlich gewesen, die Kündigung sei nicht innerhalb von zwei Wochen erklärt worden und das Insolvenzgeld decke das Arbeitnehmerrisiko ab, weswegen kein Grund für eine fristlose Kündigung vorgelegen habe. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Kündigungsfrist im Insolvenzverfahren drei Monate betrage.

 

Entscheidungsgründe

Die Arbeitsgerichte sind gemäß § 185 InsO zuständig.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Feststellungsklage die richtige Klageart (§ 179 Abs. 1 InsO).

Die Klage ist teilweise begründet.

Dem Kläger steht in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der T1. eine Insolvenzforderung in Höhe von 12.688,50 Euro aus § 628 Abs. 2 BGB zu.

Der Kläger hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 07.03.2003 wirksam fristlos gekündigt. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB liegt zumindest dann vor, wenn die Lohnzahlung in nicht unerheblicher Höhe unterblieben ist oder sich der Verzug des Arbeitgebers mit der Vergütungszahlung über einen erheblichen Zeitraum erstreckt (BAG vom 17.01.2002, 2 AZR 494/00, EzA § 628 BGB Nr. 20). Das ist hier der Fall, denn der Kläger bekam seit Juli 2002 die Vergütung nur schleppend ausbezahlt. Für den Monat Dezember 2002 wurde ihm nur ein Teil der Vergütung gezahlt. Für die Monate Januar und Februar 2003 hat er schließlich keine Vergütung von der T1. erhalten. Der Kündigungsgrund entfällt auch nicht dadurch, dass die T1. Insolvenz anmeldete und dem Kläger daher im Rahmen des § 183 SGB III Insolvenzgeld zustand. Dieses stellt nicht die vertraglich geschuldete Leistung des Arbeitgebers dar. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist unzumutbar, da Insolvenzgeld nur für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate gewährt wird (§ 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III) und der Arbeitnehmer befürchten muss, mit weiteren Lohnforderungen auszufallen. In dem hier zu entscheidenden Fall kommt hinzu, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Eigenkündigung noch nicht sicher wusste, dass ein Insolvenzverfahren eröffnet werden würde, da die T1. erst am selben Tag Insolvenzantrag stellte.

Die fristlose Kündigung ist auch nicht wegen einer fehlenden Abmahnung unwirksam. Zwar verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Regel auch von einem Arbeitnehmer, vor dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung den pflichtwidrig handelnden Arbeitgeber abzumahnen; dies gilt jedoch nicht, ...

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