Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinstellungsanspruch bei Betriebsveräußerung in der Insolvenz
Leitsatz (amtlich)
1. Der Wiedereinstellungsanspruch in der Insolvenz ist zeitlich begrenzt. Seine Voraussetzungen müssen innerhalb der Höchstfrist des § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO entstanden sein und der Arbeitnehmer muß ihn innerhalb von einen Monat (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB n.F. analog) nach Kenntniserlangung von den den Betriebsübergang ausmachenden tatsächlichen Umständen gegenüber dem Betriebserwerber geltend machen.
2. In Fällen, in denen die Betriebstätigkeit nach der ursprünglichen Absicht des Insolvenzverwalters zum Ende der Höchstfrist des § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO für die Kündigung der Belegschaft der Insolvenzschuldnerin eingestellt und „nahtlos” von einem Betriebserwerber fortgeführt wird, kann dieser sich nicht darauf berufen, er habe die Leitungsmacht über den Betrieb der Insolvenzschuldnerin erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses übernommen.
Normenkette
BGB §§ 611, 613a Abs. 6 S. 1 n.F.; InsO § 113 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Entscheidung vom 04.10.2001; Aktenzeichen 4 Ca 1610/01) |
Tenor
Die Berufungen des Klägers und des Beklagten zu 1) werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 11/12 und der Beklagte zu 1) zu 1/12 zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 57.655,00 Euro festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten nur noch um die Weiterbeschäftigungs- bzw. Wiedereinstellungsanspruchs des Klägers zur Beklagten zu 2), um die Verfahrenskosten im Verhältnis zur Beklagten zu 3) sowie im Rahmen einer Widerklage um Schadensersatzansprüche des Beklagten zu 1).
Der Beklagte zu 1) ist der durch Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 30.10.2000 (80 IN 292/00) über das Vermögen der F1 F2xxxxxxxxxx D2xxxxx-xxxx und -service GmbH & Co. KG bestellte Insolvenzverwalter. Der Kläger war bei der Insolvenzschuldnerin seit dem 01.08.1999 als kaufmännischer Leiter angestellt und u.a. für die Buchhaltung verantwortlich. Der Gläubigerausschuss beschloss, den Betrieb der Insolvenzschuldnerin zum 30.06.2001 stillzulegen und alle Arbeits- bzw. Dienstverhältnisse zu diesem Termin zu kündigen. Im Hinblick auf die geplante Stilllegung vereinbarte der Beklagte zu 1) mit dem im Betrieb gebildeten Betriebsrat am 28.03.2001 einen Interessenausgleich und Sozialplan und kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom
gleichen Tage zum 30.06.2001 unter Berufung auf die Einstellung des Geschäftsbetriebes.
Mit einer am 21.06.2001 beim Arbeitsgericht eingegangenen und den Beklagten am 26.06.2001 zugestellten Klageschrift vom 19.06.2001 hat sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch Kündigung vom 28.03.2001 zur Wehr gesetzt und seine Weiterbeschäftigung gegenüber allen drei Beklagten gleichermaßen geltend gemacht.
Er hat vorgetragen, er habe zwar nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist eine Kündigungsschutzklage erhoben, jedoch habe sich in der Zwischenzeit herausgestellt, dass die im Kündigungsschreiben angegebenen betriebsbedingten Gründe nachträglich weggefallen seien. Der Betrieb werde nicht stillgelegt, sondern mit Wirkung vom 01.07.2001 entweder von der Beklagten zu 2) oder von der Beklagten zu 3) fortgeführt. Er habe deshalb ein Recht auf Weiterbeschäftigung und Wiedereinstellung.
Der Kläger hat beantragt,
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 28.03.2001 nicht zum 30.06.2001 aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht.
- Die Beklagten zu 2) und 3) werden verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
- Hilfsweise werden die Beklagten zu 2) und zu 3) verurteilt, den Kläger zum 01.07.2001 zu unveränderten Bedingungen wieder einzustellen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben die Kündigungsschutzklage für verspätet gehalten und darüber hinaus gemeint, daß die Kündigung wegen Betriebseinstellung gerechtfertigt sei. Den auf Weiterbeschäftigung bzw. Wiedereinstellung gerichteten Antrag des Klägers könne dieser nicht gleichzeitig gegen die Beklagte zu 2) und die Beklagte zu 3) richten. Im übrigen läge ein Betriebsübergang nicht vor. Dieser hätte sich jedenfalls auch nicht innerhalb der bis zum 30.06.2001 laufenden Kündigungsfrist ereignet, sondern sei frühestens zum 01.07.2001 erfolgt. Im übrigen habe der Kläger seinen Wiedereinstellungsanspruch nicht unverzüglich geltend gemacht.
Der Beklagte zu 1) hat seine Widerklage mit einer vom Kläger vorgenommenen fehlerhaften Buchung begründet. Hierdurch seien Kosten in Höhe der Widerklageforderung entstanden. Diese habe der Kläger als grob fahrlässig verursachten Schaden zu erstatten.
Der Beklagte zu 1) hat widerklagend beantragt,
den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten zu 1) 9.430,00 DM nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen...