Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche betriebsbedingte Kündigung. Unternehmerentscheidung. Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit. Umfang der Darlegungslast. Sozialauswahl. Vergleichbarkeit
Leitsatz (redaktionell)
Sind Unternehmerentscheidung und Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich, muss der Arbeitgeber im Prozess konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher von dem betroffenen Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen, welche Auswirkungen sich auf die zukünftige Arbeitsmenge anhand einer schlüssigen Prognose konkret darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2-3
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Urteil vom 20.10.2010; Aktenzeichen 1 Ca 1157/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 20.10.2010 – 1 Ca 1157/10 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.
Der am 20.7.1977 geborene Kläger ist seit dem 18.11.2005 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 31.10.2006 (Bl. 43 f. d. A.) bei der Beklagten, einem Betrieb für Stanz- und Zerspanungstechnik, Gehäusebau, Werkzeug- und Sondermaschinenbau mit mehr als 10 Arbeitnehmern ausschließlich der Auszubildenden, als Produktions- und Fertigungshelfer zu einem monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt ca. 1.600,00 EUR tätig.
Ob die Beklagte am 08.04.2010 die unternehmerische Entscheidung getroffen hat, in Zukunft ohne Produktionshelfer zu arbeiten und deren Tätigkeit auf andere Mitarbeiter zu übertragen, ist zwischen den Betriebsparteien streitig. Unstreitig beschäftigte die Beklagte Anfang des Jahres 2010 ca. 8 – 10 Produktionshelfer.
Mit Schreiben vom 28.04.2010 (Bl. 4 d. A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 31.05.2010.
Hiergegen erhob der Kläger am 03.05.2010 die vorliegende Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht.
Neben dem Kläger wurde am 28.04.2010 ein weiterer Mitarbeiter, Herr H1, der als Fahrer und Produktionshelfer eingesetzt gewesen ist, aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Auch er erhob Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht (1 Ca 1091/10 Arbeitsgericht Iserlohn = 10 Sa 2006/10 LAG Hamm).
Derzeit beschäftigt die Beklagte noch 42 Mitarbeiter, davon etwa 2 Produktionshelfer.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt. Betriebsbedingte Gründe lägen nicht vor. Die behauptete unternehmerische Entscheidung werde bestritten. Es fehle insoweit an einem nachvollziehbaren Organisationskonzept der Beklagten. Allein die vorgetragenen und bestrittenen Umsatzzahlen seien für die ausgesprochene Kündigung unzureichend. Vorgetragen sei auch nicht, welches Arbeitsvolumen noch vorhanden sei.
Darüber hinaus werde die Richtigkeit der sozialen Auswahl bestritten. Die Beklagte beschäftigte nach wie vor Produktionshelfer, die in allen Bereichen eingesetzt würden. Hierbei handele es sich insbesondere um die Mitarbeiter K2, G1, K6, T2, C2 und K3.
Deren Tätigkeit könne der Kläger ebenfalls übernehmen. Auch sei die Vergütung dieser Mitarbeiter identisch mit der Vergütung des Klägers, der einen Stundenlohn von 8,50 EUR erhalte.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 28.04.2010 aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 31.05.2010 hinaus als Fertigungshelfer zu sonst gleichbleibenden Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung des Klägers vom 28.04.2010 sei wegen betriebsbedingter Gründe, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb der Beklagten entgegenstünden, sozial gerechtfertigt.
Hierzu hat sie behauptet, sie habe am 08.04.2010 die unternehmerische Entscheidung getroffen, ihre Produktion in Zukunft ohne Produktionshelfer durchzuführen. Ebenso sei entschieden worden, Entgratungsarbeiten an Drittunternehmen outzusourcen. Diese bislang von Produktionshelfern erledigten Tätigkeiten seien Anfang 2010 fremdvergeben worden, wodurch das Arbeitsvolumen für Produktionshelfer komplett weggefallen sei. Dementsprechend seien die Arbeitsverhältnisse mit sämtlichen Produktionshelfern gekündigt worden.
Zu diesem Schritt habe die Beklagte sich entschließen müssen, weil erhebliche Umsatzeinbrüche zu verzeichnen gewesen seien. Im ersten Quartal 2010 seien die Umsätze gegenüber dem 1. Quartal 2009 nochmal um 39,37 % zurückgegangen (Blatt 23 ff., 35 ff. d. A.). Entsprechend sei auch das Arbeitsvolumen fortgefallen, ebenso seien auch die Arbeitsstunden im Betrieb der Beklagten rückläufig. Während im Zeitraum von Januar bis August 2009 im Durchschnitt noch über 10000 Arbeitsstunden pro Monat angefallen seien, seien die Gesamtarbeitsstu...