Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdachtskündigung und Anhörung des Arbeitnehmers. Absichtliches Verbrühen eines Arbeitnehmers mit heißem Wasser. Benennung des Themenkreises in Anhörung
Leitsatz (redaktionell)
Wer als Arbeitnehmer heißes Wasser über die Umrandung einer besetzten Toilettenkabine schüttet, nimmt zumindest billigend in Kauf, dass die auf der anderen Seite befindliche Person erhebliche körperliche Verletzungen erleidet.
Normenkette
BetrVG §§ 101, 25
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Entscheidung vom 13.12.2012; Aktenzeichen 4 Ca 1503/12) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 13.12.2012 - 4 Ca 1503/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Streit der Parteien geht um die rechtliche Wirksamkeit einer fristlosen Arbeitgeberkündigung.
Der 45-jährige Kläger ist verheiratet und einem Kind unterhaltspflichtig. Seit September 1983 war er bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Maschinenschlosser zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsentgelt von 3.230,00 Euro beschäftigt.
Bei der Beklagten, die ein Unternehmen zur Herstellung von Schrauben betreibt, ist ein Betriebsrat gebildet.
Der Kläger war zuletzt in der Halle 15 als Mitarbeiter der Instandhaltung/Produktionsmaschinen eingesetzt. Die Halle, in der mehrere Fertigungsbereiche angesiedelt sind, verfügt über eine eigene (Herren-)Toilette. Dieser Sanitärbereich besteht aus einem Vorraum mit Waschtischen und einem durch eine weitere Tür von dem Vorraum getrennten Toilettenbereich mit drei Toilettenkabinen (vgl. Grundrissskizze auf Bl. 88 d. A.). Jede der drei Toilettenkabinen ist einem der Fertigungsbereiche der Halle 15 zugeordnet. Dem Fertigungsbereich des Klägers zugeordnet war die mittlere Toilettenkabine, die nur durch die Mitarbeiter dieses Bereichs mittels separaten Schlüssels geöffnet werden kann.
Am 19.06.2012 betrat gegen 10:15 Uhr der Mitarbeiter T1 aus dem Fertigungsbereich des Klägers die Herrentoilette in der Halle 15 und begab sich in die seinem Fertigungsbereich zugewiesene mittlere Toilettenkabine. Kurz darauf suchte auch der Mitarbeiter M1 die Herrentoilette auf und wollte ebenfalls die mittlere Toilettenkabine benutzen. Der Mitarbeiter T1 gab sich zu erkennen, so dass der Mitarbeiter M1 ihn bat, sich zu beeilen. Sodann verließ der Mitarbeiter M1 den Bereich der Toilettenkabinen, um auf das Freiwerden der mittleren Kabine zu warten. Während dessen erschien der Kläger. Dieser trug einen Wasserkocher in der Hand, während er den Sanitärbereich betrat. In der Zeit, in der sich der Kläger in dem Sanitärbereich befand, wurde der Mitarbeiter T1 über die Toilettenabgrenzung mit heißem Wasser übergossen. Als das Wasser seinen Körper traf, gab der Mitarbeiter T1 einen Schrei von sich. Der Kläger, der den Schrei hörte, verließ den Sanitärbereich. Beim Verlassen wurde der Kläger mit dem Wasserkocher in der Hand von dem Mitarbeiter M1 gesehen. Kurz darauf verließ auch der durchnässte Mitarbeiter T1 die Herrentoilette und begab sich unmittelbar zu einem Ersthelfer, der eine Erstversorgung durchführte. Anschließend begab sich der Mitarbeiter T1 zu dem Durchgangsarzt Dr. R1, der ihm ausweislich des Durchgangsberichts - Korrektur - (Bl. 91 d. A.) Verbrennungen 1. bis 2. Grades an Schädel, Hals links und Schulter rechts bescheinigte. Auf die Fotodokumentation der Verbrennungen, Bl. 92 d. A., wird verwiesen. Zugleich bescheinigte der Durchgangsarzt zunächst Arbeitsunfähigkeit bis zum 21.06.2012. Insgesamt dauerte die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters T1 zwei Wochen an.
Die Beklagte, die noch am 19.06.2012 von dem Vorfall erfahren hatte, befragte in Person ihres Personalleiters am 20.06.2012 zunächst den Mitarbeiter M1 zu dem Vorfall vom Vortag. Hierüber verhält sich das von dem Personalleiter S1 unter dem 26.06.2012 gefertigte Gesprächsprotokoll (Bl. 53 d. A.). Am selben Tag gegen 15:00 Uhr befragte die Beklagte den Mitarbeiter T1, der angab, der Durchgangsarzt habe Verbrennungen 2. bis 3. Grades festgestellt und ihn vorerst bis Freitag krankgeschrieben. Wegen des Inhalts des Gesprächsprotokolls vom 26.06.2012 wird auf Bl. 54 d. A. verwiesen.
Am 21.06. hörte die Beklagte ab 09:00 Uhr den Kläger zu dem Vorfall vom 19.06.2012 an. Der Anhörungstermin war dem Kläger kurzfristig am selben Tag mitgeteilt worden, ohne dass die Beklagte trotz entsprechender Nachfrage des Klägers das Gesprächsthema ausdrücklich bekannt gegeben hätte. Die Beklagte konfrontierte den Kläger mit dem Aussagen der Mitarbeiter M1 und T1. Bei der durch den Personalleiter S1 durchgeführten Befragung waren zudem anwesend die Vorgesetzten G1 und B1 sowie das Betriebsratsmitglied A1. Der Kläger verneinte, Wasser in die Toilettenkabine geschüttet zu haben. Wegen des Inhalts des Gesprächsprotokolls vom 26.06.2012 wird auf Bl. 55 d. A. verwiesen. Im Anschluss an die Befragung wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung von der Arbeit freigestellt und gleichzeitig aufgefordert, sich zu melden, falls er...