Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Anforderungen an die anwaltliche Ausgangskontrolle bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 233 ZPO kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann gewährt werden, wenn die Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Gemäß § 85 Abs. 2 ZPO muss sich der Kläger das Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen.
2. Der Rechtsanwalt muss durch organisatorische Maßnahmen gewährleisten, dass die für den Postversand vorgesehenen Schriftstücke zuverlässig auf den Postweg gebracht werden. Zu einer wirksamen Ausgangskontrolle gehört eine Anordnung, dass die Erledigung der fristgebundenen Sachen am Abend eines jeden Arbeitstags anhand des Fristenkalenders überprüft werden.
Normenkette
ZPO § 522 Abs. 1, §§ 233-234; ArbGG § 66 Abs. 1 Sätze 1-2
Verfahrensgang
ArbG Münster (Urteil vom 22.02.2008; Aktenzeichen 2 Ca 1851/07) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 2 AZB 5/09) |
Tenor
Unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags vom 02.06.2008 wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 22.02.2008 – 2 Ca 1851/07 – kostenpflichtig als unzulässig verworfen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.200,00 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I
Der Kläger will die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 16.08.2007 und die Unwirksamkeit der zum 30.09.2007 ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung feststellen lassen. Ferner hat er die Rücknahme der Abmahnung vom 05.07.2007 und die Korrektur des Zwischenzeugnisses verlangt.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 22.02.2008 verurteilt, die Abmahnung vom 05.07.2007 zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 13.03.2008 zugestellt worden. Die dagegen gerichtete Berufungsschrift des Klägers vom 01.04.2008 ist per Fax am 01.04.2008 und im Original am 08.04.2008 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Die von Rechtsanwalt Z1 nach Diktat von Rechtsanwältin C1 t2 V2-T1 unterzeichnete Berufungsbegründung vom 08.05.2008 ist beim Landesarbeitsgericht per Fax erst am 14.05.2008 um 15.10 Uhr eingegangen, das Original am 16.05.2008. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers sind mit gerichtlichem Schreiben vom 19.05.2008 auf den verspäteten Eingang der Berufungsbegründung hingewiesen worden. Mit Schriftsatz vom 02.06.2008 beantragte der Kläger, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Zur Begründung trägt er vor: Der Fristenkalender in der Kanzlei seiner Prozessbevollmächtigten werde von der zuverlässigen Angestellten Frau J2 geführt, die sowohl den Fristablauf zur Berufungseinlegung am 13.04.2008 als auch den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 13.05.2008 notiert habe. Rechtsanwältin t2 V2-T1 habe nach Kontrolle das Ablaufdatum der Berufungsbegründungsfrist am 13.05.2008 eigenhändig ebenfalls notiert. Am 08.05.2008 sei der letzte Arbeitstag der mit der Angelegenheit befassten Prozessvertreterin gewesen, die vor Antritt ihres Urlaubs Frau J2 die Akte persönlich übergeben habe mit der Bitte, an sämtliche Anlagen und die Frist zu denken. Es hätten nur noch zwei Schreibfehler in der Berufungsbegründung korrigiert werden müssen. Sie habe Rechtsanwalt Z1 gebeten, den Berufungsbegründungsschriftsatz nach Korrektur der Schreibfehler zu unterzeichnen und ihn unterrichtet, Frau J2 auf die am 13.05.2008 ablaufende Frist hingewiesen zu haben. Rechtsanwalt Z1 habe dann noch am 08.05.2008 die Berufungsbegründung unterschrieben und sie dann Frau J2 übergeben mit dem Hinweis, dass diese entsprechend der Fristeintragung fristgerecht herausgehen müsse. Die sonst zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte Frau J2 habe dann offenbar das Absenden des Faxes am 08.05.2008 schlichtweg verbummelt. Am 09.05.2008 habe Frau J2 planmäßig Urlaub gehabt. Am nächstmöglichen Absendetag, am 13.05.2008, habe Frau J2 das Absenden des Faxes ebenfalls aus unerklärlichen Gründen versäumt.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers sind der Auffassung, alle notwendigen Vorkehrungen für ein pünktliches Absenden der Berufungsbegründungsfrist vor Urlaubsantritt unternommen zu haben, so dass der Prozessvertretung des Klägers an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kein Verschulden treffe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Wiedereinsetzungsschriftsatz vom 02.06.2008 und die eingereichte eidesstattliche Versicherung von Frau J2 (Bl. 163 bis 167 d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Berufung, die ihrer Auffassung nach als unzulässig zu verwerfen sei, weil der Wiedereinsetzungseintrag unbegründet sei.
Nach Wechsel der Zuständigkeit hat das Gericht mit Schreiben vom 05.01.2009 auf das Fehlen einer wirksamen Postausgangskontrolle hingewiesen.
Entscheidungsgründe
II
Die Berufung ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Sa...