Entscheidungsstichwort (Thema)
Sicherstellung des Vorliegens entsprechender steuer- und beitragsrechtlicher Voraussetzungen gem. §§ 3 Nr. 28 EStG, 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SVeV außerhalb der Einfluss- und Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers. Inanspruchnahme von Altersteilzeit im Blockmodell auf Grundlage von Altersteilzeitverträgen
Leitsatz (amtlich)
Wenn eine Arbeitgeberin gemeinsam mit dem Personalrat über eine Dienstvereinbarung ein rechtliches Konstrukt schafft und mit einem Arbeitnehmer auf dieser - ggf. unwirksamen - Grundlage Altersteilzeitverträge abschließt, wonach über einen Gesamtzeitraum von sechs Jahren Altersteilzeit im Blockmodell in Anspruch genommen werden kann, liegt die Sicherstellung des Vorliegens entsprechender steuer- und beitragsrechtlicher Voraussetzungen gem. §§ 3 Nr. 28 EStG; 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SVeV außerhalb der Einfluss- und Verantwortungssphäre des Arbeitnehmers.
Normenkette
BGB § 313 Abs. 1 bis 3; EStG § 3 Nr. 28; SvEV § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; ZPO § 308
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 17.04.2023; Aktenzeichen 8 Ca 3068/22) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 17. April 2023 - 8 Ca 3068/22 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Bestand eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses.
Der am 27. Juli 1961 geborene Kläger ist seit dem 1. Juli 2013 bei der Beklagten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 13. Juni 2023 in Verbindung mit einem Nachtrag vom 19. Dezember 2013 als Gruppenleiter im Geschäftsbereich Beiträge angestellt. Die Bruttomonatsvergütung beträgt zuletzt 6.020,53 EUR.
Die Beklagte ist als gesetzliche Krankenkasse eine bundesunmittelbare Körperschaft öffentlichen Rechts. Für die betroffene Dienststelle der Beklagten ist ein Personalrat gewählt.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt keiner Tarifbindung.
Am 29. November 2021 schloss die Beklagte mit dem Personalrat eine "Dienstvereinbarung über die Ausgestaltung von Altersteilzeit". Die Dienstvereinbarung lautet auszugsweise:
"§ 1 Altersteilzeitvereinbarung
(1) [...] Im Hinblick auf die Verteilung der während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses insgesamt geschuldeten Arbeitszeit ist eine Blockbildung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ATG in den jeweils gesetzlich vorgesehenen Höchstgrenzen zulässig. Die Vereinbarungshöchstgrenze beträgt derzeit 6 Jahre."
Wegen des weiteren Wortlauts der Dienstvereinbarung wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Die Beklagte wies die Arbeitnehmer in einer Personalversammlung im Dezember 2021 auf die Möglichkeit hin, Altersteilzeitverträge abzuschließen.
Unter dem Datum des 28. Januar 2022 schlossen die Parteien einen Altersteilzeitvertrag. Dieser lautet auszugsweise:
"§ 2
Arbeitszeit
(1) Die Arbeitszeit während der Alterstellzeit beträgt die Hälfte der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit.
(2) Während der Gesamtdauer des Altersteilzeitvertrags verbleibt es für die Zeit vom 01.02.2022 bis zum 31.01.2025 bei der bisherigen Tätigkeit im Umfang von 39 Stunden pro Woche. Aufgrund des erworbenen Zeitguthabens wird der/die Arbeitnehmerin vom 01.02.2025 bis zum 31.01.2028 von seiner/ihrer Tätigkeit freigestellt.
[...]
§ 4
Anzuwendende Bestimmungen
Für den Altersteilzeitvertrag gelten in allen Belangen, u.a. hinsichtlich der Höhe des Arbeitsentgelts, der Altersteilzeitleistungen, des Umgangs mit Sonderzahlungen und Gehaltsanpassungen, die gesetzlichen Bestimmungen des Altersteilzeitgesetzes sowie die Dienstvereinbarung über die Ausgestaltung von AItersteilzeit.
§ 5
Arbeitsentgelt und Aufstockungsleistungen
Aufgrund der anzuwendenden Bestimmungen erhält der/die Arbeitnehmer/in einen gesetzlichen Aufstockungsbetrag in Höhe von 20 % zum Teilzeitgehalt auf Basis von 50 % der bisherigen Arbeitszeit sowie einen zusätzlichen betrieblichen Aufstockungsbetrag, so dass insgesamt 85 % des bisherigen um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts, wie der/die Mitarbeiter/in es bis zum Beginn der Altersteilzeit erhalten hat, erreicht werden."
Wegen des weiteren Wortlauts des Altersteilzeitvertrags wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Mit Datum vom 22. August 2022 teilte die Beklagte dem Kläger schriftlich mit, dass der geschlossene Altersteilzeitvertrag "nichtig" sei. Eine Überprüfung habe ergeben, dass die mit dem Personalrat geschlossene Dienstvereinbarung mangels Rechtsgrundlage unwirksam sei. Diese stelle mithin keine geeignete Grundlage für die Vereinbarung eines Altersteilzeitverhältnisses über eine Dauer von sechs Jahren dar. Die Beklagte nahm mit der Abrechnung für den Monat August 2022 für die Zeit seit dem 1. Februar 2022 ein Rückabwicklung vor. Im Rahmen dieser wurde das Arbeitsverhältnis der Parteien wieder als Vollzeitarbeitsverhältnis abgerechnet. Mit anderen betroffenen Arbeitnehmern in Altersteilzeit einigte sich die Beklagte seinerzeit ohne rechtliche Auseinandersetzung auf eine Reduzierung der ursprünglich vereinbarten Altersteilzeitdauer von sechs Jahren auf dr...