Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Arbeitsunfähigkeitszeiten ohne Entgeltfortzahlungsverpflichtung nach Erreichung des vereinbarten Ziels für eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung
Leitsatz (amtlich)
Hat der Arbeitnehmer das vereinbarte Ziel für eine arbeitsleistungsbezogene Sonderzahlung in einem bestimmten Zeitraum erreicht, so wirken sich Arbeitsunfähigkeitszeiten ohne Entgeltfortzahlungsverpflichtung des Arbeitgebers, die später während dieses Zeitraums auftreten, nicht anspruchsmindernd aus; dies gilt jedenfalls dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien keine gesonderte Regelung über eine Kürzungsmöglichkeit bei später auftretenden Fehlzeiten getroffen haben
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Rheine (Entscheidung vom 30.10.2019; Aktenzeichen 2 Ca 312/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 30.10.2019 - 2 Ca 312/09 - wie folgt abgeändert und neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.006,25 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 2.760,00 € seit dem 01.01.2019 und auf weitere 246,25 € seit dem 02.04.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt die Beklagte zu 53 % und die Klägerin zu 47 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte zu 56 % und die Klägerin zu 44 %.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen, soweit sie verurteilt worden ist, eine Bonuszahlung i.H.v. 2.760,00 € brutto nebst Zinsen an die Klägerin zu leisten.
Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Zahlung variabler Gehaltsanteile, insbesondere darüber, wie sich krankheitsbedingte Fehlzeiten der Klägerin auf ihre Ansprüche auswirken. In der Berufungsinstanz streiten die Parteien zudem darüber, ob die Beklagte verpflichtet war, der Klägerin im Jahr 2019 den Abschluss von Zusatzvereinbarungen anzubieten, die sich über variable Gehaltsanteile verhalten.
Die Klägerin ist seit Oktober 2011 für die Beklagte als "Account-Manager Fachhandel" im Außendienst tätig.
Die Beklagte produziert und vertreibt Hygiene- und Medizinprodukte insbesondere zur Wundversorgung.
Im Arbeitsvertrag heißt es auszugsweise:
"§ 4 Gehalt
(1) Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt von 3.700 €. Hinzu kommt ab Arbeitsbeginn ein monatlicher variabler Gehaltsanteil von 1.800 € bei 100% Zielerreichung entsprechend der durch die Geschäftsleitung gesetzten Vertriebsziele. Der variable Gehaltsanteil wird nachträglich quartalsweise abgerechnet. Es wird zwischen beiden Parteien eine monatliche Vorauszahlung auf den variablen Gehaltsanteil vereinbart. Die näheren Einzelheiten (Erreichungskriterien, Umfang, Zeitplan, Ausschlusskriterien, etc.) regelt eine gesonderte, schriftliche Vereinbarung. Bis zum 31. Januar 2012 wird der variable Gehaltsanteil fix und in voller Höhe gezahlt.
(2) Die vereinbarte Vergütung deckt die gesamte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ab. Für ggfs. aus betrieblichen Gründen erforderliche Mehr- oder Überarbeit, Feiertags-, Sonntags- oder Nachtarbeit wird eine besondere Vergütung nicht gezahlt.
...
§ 17 Ausschlussfristen
(1) Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme von Ansprüchen, die aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit sowie aus vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen des Arbeitgebers oder seines gesetzlichen Vertreters resultieren - müssen innerhalb von 3 Monaten, nachdem der jeweilige Gläubiger Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, schriftlich geltend gemacht werden. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verkürzt sich diese Frist auf 2 Monate. Nach Fristablauf sind die Ansprüche verwirkt."
Zudem schlossen die Parteien am 09.02.2018 eine Zusatzvereinbarung über umsatzabhängige Bonuszahlungen (Bl. 16 f. d.A.), in der es heißt:
Nach Maßgabe von § 4 des Arbeitsvertrages haben die Parteien bei Erreichen noch näher zu definierender Vertriebsziele bei 100% Zielerreichung die Zahlung eines variablen Gehaltsanteils in Höhe von maximal 1.000 € brutto/Monat vereinbart. Die näheren Einzelheiten regelt die nachfolgende Vereinbarung:
1.
Die Zahlung des variablen Gehaltsanteils (nachfolgend auch "Bonus" genannt) soll die Vertriebsmitarbeiter zu einer bestmöglichen Akquisitionstätigkeit und zu einer Steigerung der verkauften Stückzahlen pro Kalenderjahr motivieren. Die Mitarbeiter im Vertrieb sollen eng, effizient und kooperativ zusammenarbeiten, um optimale Vertriebsergebnisse zu erreichen. Ziel ist eine bestmögliche Vertriebstätigkeit und Kundenpflege, auch durch den Vertreter im Abwesenheitsfall, sowie die reibungslose, sorgfältige und vorausschauende Zusammenarbeit zwischen den Vertriebsmitarbeitern und den Sachbearbeitern im Vertrieb bei der Vorbereitung und Abwicklung der Aufträge und des Kundengeschäfts.
2. Die Ermittlung der Zielerreichung im Sinne dieser Vereinbarung erfolgt auf der Basis der n...