Entscheidungsstichwort (Thema)
Geldentschändigung wegen rechtswidriger Videoüberwachung
Leitsatz (redaktionell)
Ein Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer erheblichen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Arbeitgeber, wenn dieser ihn durch Videokameras überwacht, obwohl er durch gerichtliche Entscheidung zum Abbau der Überwachungskameras verurteilt worden war.
Normenkette
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Entscheidung vom 23.12.2011; Aktenzeichen 1 Ca 1646/11) |
Tenor
Die Berufungen der Beklagten und des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 23.12.2011, Az. 1 Ca 1646/11, werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 73 Prozent, der Beklagten zu 27 Prozent auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Geldentschädigung wegen einer Videoüberwachung am Arbeitsplatz noch für den Zeitraum vom 10.03.2012 bis zum Ablauf des 08.11.2011.
Der Kläger war bei Klageerhebung Mitglied des bei der Beklagten gewählten, aus sieben Mitgliedern bestehenden Betriebsrates und bei der Beklagten seit Juli 1998 als Lagerarbeiter mit den Schwerpunkten Kommissionier- und Packarbeiten beschäftigt. Seine Bruttomonatsvergütung beträgt 2.153,73 €.
Die Beklagte ist ein Handelsunternehmen für Geschenkartikel.
Auf dem Betriebsgelände der Beklagten sind 22 Videokameras installiert. Zwei der Kameras wurden am 18.08.2006 in einer Höhe von etwa vier Metern im Bereich des Eingangstores der Lager- und Kommissionierhalle installiert.
Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat am 09.03.2010 und noch einmal am 23.10.2010 eine Betriebsvereinbarung folgenden Inhalts über die Videoüberwachungsanlage:
"[...]
1.Die Arbeitgeberin ist berechtigt, die Video-Überwachungsanlage zum Zwecke der Vermeidung und Aufklärung von Diebstählen und Unterschlagungen zu betreiben.
Die Beschreibung der Video-Überwachungsanlage ergibt sich aus der Anlage zu dieser Betriebsvereinbarung. Diese Anlage ist Bestandteil dieser Betriebsvereinbarung.
2. Der Betrieb der Überwachungsanlage dient nicht dem Zwecke der Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Arbeitnehmer. Die Verwertung der Erkenntnisse zu diesem Zwecke ist unzulässig, mit Ausnahme bei Diebstählen oder Unterschlagungen durch Arbeitnehmer.
3. Eine laufende Kontrolle am Bildschirm der Überwachungsanlage ist unzulässig.
Die Videoaufzeichnungen werden automatisch überspielt. Eine weitere Speicherung der Daten ist außer zur Beweissicherung von Straftatbeständen allgemein nicht zulässig.
Einsichtnahme in die Videodaten wird nur bei konkret festgestelltem Warenschwund oder außergewöhnlichen Verdachtsmomenten durchgeführt.
[...]"
Mit Schreiben vom 10.03.2010 forderte der Kläger die Beklagte auf, die Videokameras abzubauen. Dem kam die Beklagte nicht nach.
Im Rechtsstreit ArbG Bocholt Aktenzeichen 1 Ca 957/10 hat das ArbG die Beklagte mit Urteil vom 10.12.2010 verurteilt, die beiden am 18.08.2006 installierten Videokameras, im Lageplan mit Nr. 13 und 14 bezeichnet, abzubauen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landesarbeitsgericht Hamm mit Urteil vom 14.04.2011, Az. 15 Sa 125/11, welches beiden Parteien am 07.07.2011 zugestellt wurde, rechtskräftig zurückgewiesen.
Die Beklagte kam der Verpflichtung zum Abbau der beiden Videokameras zunächst nicht nach.
Mit Beschluss des ArbG Bocholt vom 08.09.2011 im Zwangsvollstreckungsverfahren, Az. 1 Ca 957/10 wurde der Kläger ermächtigt, auf Kosten der Beklagten die beiden Videokameras abbauen zu lassen. Die Beklagte wurde verpflichtet, die durch die vorzunehmende Handlung entstehenden Kosten in Höhe von 3.000,00 € vorauszuzahlen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde wies das LAG Hamm durch Beschluss vom 12.12.2011, Az. 1 Ta 606/11, zurück.
Die genannten zwei Kameras sind - nach kurzer Unterbrechung am 22.11.2011 - nach wie vor installiert.
Der Kläger hat vorgetragen, ihm stehe angesichts des durch das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Hamm festgestellten schwerwiegenden Eingriffs in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht eine Geldentschädigung zu. Es komme nicht darauf an, wie oft und wie lange er sich im Bereich der Kameras aufhalte. Unabhängig davon sei dies etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit der Fall.
Er sei zunächst davon ausgegangen, dass die Kameras ausschließlich als Diebstahlschutz nach Dienstschluss aufzeichneten. Dass die Kameras ständig aufzeichneten, habe keiner der Arbeitnehmer der Beklagten einschließlich des Betriebsrats gewusst. Ob die Kameras in Betrieb seien, sei auch nicht erkennbar. Erst, als im Betrieb eine versteckte Kamera entdeckt worden sei, seien Betriebsrat und Arbeitnehmerschaft auf das Ausmaß der Videoüberwachung aufmerksam geworden. Der Kläger habe sich sodann umgehend gegen die Installation der Kameras gewandt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Geldentschädigung, mindestens jedoch 15.000,00 €, zu ...