Entscheidungsstichwort (Thema)
Beseitigungsanspruch hinsichtlich in Lagerräumen angebrachter Videokameras. unverhältnismäßiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht
Leitsatz (redaktionell)
Eine dauernde Videoüberwachung im Lagerraum durch Betriebsvereinbarung ohne zeitliche Begrenzung und ohne konkreten Verdacht ist unwirksam und greift erheblich und unangemessen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ein, da damit die Mitarbeiter einem ständigen Überwachungsdruck unterliegen.
Normenkette
BGB §§ 1004, 823; GG Art. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Urteil vom 10.12.2010; Aktenzeichen 1 Ca 957/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 10.12.2010 – 1 Ca 957/10 – werden zurückgewiesen.
Wegen der Kosten erster Instanz bleibt es bei der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Kosten der Berufungsinstanz tragen die Beklagte zu 1/3 und der Kläger zu 2/3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch des Klägers auf Beseitigung verschiedener Videokameras.
Der Kläger ist bei der Beklagten, die ein Handelsunternehmen mit großen Warenlagern betreibt, als Lagerarbeiter und Kommissionierer beschäftigt.
Auf dem Betriebsgelände der Beklagten sind insgesamt 22 Videokameras – s. Lageplan Bl. 71 d.A. – installiert. Hierzu schloss die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat unter dem 09.03.2010 eine „Betriebsvereinbarung über den Betrieb von Video-Überwachungsanlagen” des nachstehenden Inhalts:
Das Urteil hat hier eine Auflistung die aus technischen Gründen nicht eingesetzt werden kann.
Das Urteil kann in vollständiger Form für 12,50 EUR beim Landesarbeitsgericht angefordert werden.
Nachdem zwischen den Parteien Streit darüber bestand, ob der Lageplan auf Bl. 71 d.A. der Plan war, auf den sich die Betriebsvereinbarung bezog, unterzeichneten die Betriebsparteien unter dem 23.10.2010 eine weitere inhaltsgleiche Betriebsvereinbarung, mit der der von dem Betriebsrat gesondert unterzeichnete Lageplan fest verbunden war.
Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 10.03.2010 bat der Kläger die Beklagte, versteckte Videoüberwachungskameras in der Dekohalle und in der Halle, in der die 2. Wahl-Ware ausgepackt wird, abzubauen. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 12.03.2010 unter Hinweis auf die Betriebsvereinbarung vom 09.03.2010, dass sämtliche versteckte Kameras den Mitarbeitern offengelegt würden und dass eine verlangte Löschung gespeicherter Bildaufzeichnungen erfolgt sei.
Mit seiner am 04.06.2010 beim Arbeitsgericht Bocholt eingegangenen Klage hat der Klage den Abbau von 6 Videokameras und die Verurteilung der Beklagten, an Eides Statt zu versichern, dass über die von ihm benannten keine weiteren Videokameras auf dem Betriebsgelände der Beklagten existieren, verlangt.
Er hat die Auffassung vertreten, dass die Betriebsvereinbarung unwirksam sei, da sie unverhältnismäßig in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer eingreife.
Auch sei er von den von ihm monierten Überwachungskameras betroffen. Er sei zu etwa 50 % seiner Arbeitszeit im Bereich der Kameras 13 und 14 tätig. Diese Kameras befinden sich – unstreitig – im Bereich des Eingangstores der Lager- und Kommissionierhalle; eine hängt offensichtlich, die andere wird bemerkt, wenn man auf sie aufmerksam gemacht wird. In den Bereich der Kamera 22 gehe er etwa einmal im Quartal. Diese Kamera befindet sich im Raum der Waren 2. Wahl. An den Türen zu dem Raum ist jeweils ein Schild mit der Aufschrift „Videoübersicht” angebracht. Den Bereich der Kamera 3 müsse er aufsuchen, wenn er für Messen eingeteilt sei, etwa an 3 Tagen pro Jahr. Die Kameras 1 und 2 fand der Kläger – unstreitig – in einem Rohr bzw. Eisenträger installiert.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, die auf dem Betriebsgelände der Beklagten installierten Videokameras, in dem Lageplan bezeichnet mit den Nummern 1, 2, 3, 13, 14 und 22 abzubauen,
- die Beklagte zu verurteilen, an Eidesstatt zu versichern, dass über die im Lageplan ersichtlichen Videokameras hinaus keine weiteren Videokameras auf dem Betriebsgelände der Beklagten, M1 1, 12345 B2, existieren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sämtliche Kameras, so hat die Beklagte vorgetragen, befänden sich in Außenbereichen bzw. Bereichen, die auch Kunden betreten könnten. Sie habe ein besonderes Interesse an präventiven Schutzmaßnahmen gegen Diebstähle. Die Betriebsvereinbarung sei wirksam, da sie eine Leistungskontrolle, eine laufende Überwachung und eine dauerhafte Speicherung von Bildaufzeichnungen ausschließe. Mangels Leistungskontrolle sei der Kläger auch nicht in seinen Rechten tangiert.
Durch Urteil vom 10.12.2010 hat das Arbeitsgericht Bocholt dem Abbauverlangen des Klägers hinsichtlich der Kameras 13 und 14 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die erstinstanzliche Entscheidung führt im Wesentlichen aus, der Anspruch auf den Abbau der genannten Kameras folge aus §§ 1004, 823 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 A...