Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung / Rationalisierung / Vermeidbarkeit der Kündigung / Vorhersehbarkeit des künftigen Leiharbeitnehmereinsatzes / Sozialauswahl zwischen Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern
Leitsatz (amtlich)
1. Entfällt der Bedarf für die Beschäftigung des Arbeitnehmers am bisherigen Arbeitsplatz, so hat der Arbeitgeber zur Vermeidung einer Kündigung dem Arbeitnehmer auch geringerwertige Tätigkeiten anzubieten, sofern im Zeitpunkt der Kündigung bereits ein entsprechender Beschäftigungsbedarf absehbar ist. Die bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit eines solchen künftigen Beschäftigungsbedarfs ist hierfür jedoch nicht ausreichend. Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber weiträumig die Zustimmung des Betriebsrats zum Einsatz von Leiharbeitnehmern einholt, genügt jedenfalls dann nicht für die Prognose einer künftigen Beschäftigungsmöglichkeit, wenn im Betrieb nicht auf Lager, sondern nur aufgrund kurzfristiger Zuweisung von Aufträgen innerhalb des Konzerns produziert wird.
2. Der unterschiedliche rechtliche Status von Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern steht einer (Austauschbarkeit) aufgrund des Direktionsrechts bei der Sozialauswahl entgegen.
Normenkette
KSchG § 1; BetrVG § 112
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Urteil vom 05.06.2002; Aktenzeichen 5 Ca 2984/01) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 05.06.2002 – 5 Ca 2948/01 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung vom 15.10. zum 30.11.2001.
Diese Kündigung stützt die Beklagte, welche am Standort B2xxxx Mobil-Telefone produziert, auf den Vortrag, durch Stilllegung von 8 von vormals 17 Produktionslinien sei der Beschäftigungsbedarf für die in der Produktion eingesetzten Reparateure anteilig entfallen. Andere zumutbare Beschäftigungsmöglichkeiten seien nicht vorhanden, insbesondere sei im Kündigungszeitpunkt der Bedarf für den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Bereich der Helfertätigkeiten für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht absehbar gewesen. Die Sozialauswahl beschränke sich auf den Kreis der in der Produktion eingesetzten, als gewerbliche Arbeitnehmer eingestellten Reparateure, welche weder rechtlich noch nach den maßgeblichen Arbeitsplatzanforderungen mit den als Angestellten beschäftigten Mitarbeitern im Service-Center vergleichbar seien.
Durch Urteil vom 05.06.2002 (Bl. 240 d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlich vorgetragenen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht nach den Klageanträgen erkannt und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die angegriffene Kündigung nicht beendet worden sei, sondern fortbestehe; weiter ist die Beklagte zur arbeitsvertragsgemäßen Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt worden. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, aufgrund der unstreitigen Umsetzung der Stilllegung von acht Produktionslinien sei zwar von dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes auszugehen, die Kündigung verstoße jedoch gegen die Regeln der Sozialauswahl des § 1 Abs. 3 KSchG. Zu Unrecht habe die Beklagte nämlich die Sozialauswahl allein auf den Kreis der Reparateure in der Fertigung beschränkt, nicht hingegen die im Service-Center eingesetzten, mit der Reparatur von Kunden-Geräten befassten Kräfte in die Sozialauswahl einbezogen. Nach der Aussage des Zeugen E2x unterscheide sich die Aufgabenstellung der Reparateure in der Fertigung nicht entscheidend von der Aufgabenstellung der im Service-Center eingesetzten Beschäftigten. In beiden Bereichen werde die Fehlersuche mit denselben Methoden EDV-gestützt und mit derselben technischen Ausrüstung durchgeführt. Bei einem Wechsel von Mitarbeitern aus der Produktion in das Service-Center sei zunächst eine Einarbeitung von ca. einem Monat ausreichend gewesen, wobei bei schwierigen und umfangreichen Fehlern die Service-Center-Vorarbeiter als Ansprechpartner zur Verfügung stünden. Der Routinevorsprung der Mitarbeiter im Service-Center wirke sich ohnehin nur vorübergehend aus, da alte Modelle ohnehin nicht mehr repariert würden und laufend neue Modelle auf den Markt kämen. Unter Einbeziehung der Mitarbeiter des Service-Centers müsse aber von einer fehlerhaften Sozialauswahl ausgegangen werden, da die Beklagte insoweit ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen sei.
Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung tritt die Beklagte dem Standpunkt des Arbeitsgerichts zur Sozialwidrigkeit der Kündigung entgegen und wiederholt und vertieft ihren Standpunkt, die ausgesprochene Kündigung sei in keiner rechtlichen Hinsicht zu beanstanden.
Neben der – unstreitigen – Betriebsratsanhörung gemäß Anhörungsbogen vom 05.10.2001 und abschließender Stellungnahme des Betriebsrats vom 1...