Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH-Recht. keine Einstellung der Ratenzahlung vor Abdeckung der Differenzgebühr
Leitsatz (amtlich)
Die Staatskasse hat zugunsten des im Wege der Prozeßkostenhilfe beigeordneten Anwalts bei der bedürftigen Partei auch dann noch Raten einzuziehen, wenn dieses erforderlich ist, um den Differenzbetrag zwischen einer Gebührenforderung nach § 11 BRAGO und einer solchen nach § 123 BRAGO abzudecken.
Normenkette
ZPO § 120 Abs. 3, § 122 Abs. 1 Nr. 1; RPflG § 11 Abs. 2, § 20 Nr. 4b; BRAGO §§ 11, 123-124, 128
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 19.09.1995; Aktenzeichen 10 Ca 2710/93) |
Tenor
1. Der Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 19. September 1995 wird aufgehoben.
Der Rechtspfleger wird angewiesen, über den Betrag, mit dem die nach § 123 BRAGO festgesetzte Vergütung abgedeckt wird, weitere Einziehungen vorzunehmen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Tatbestand
I. Dem Kläger wurde durch Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 21. September 1993 Prozeßkostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und ihm Rechtsanwalt K. aus Köln beigeordnet. Die Bewilligung erfolgte mit der Maßgabe, daß der Kläger aus seinem Einkommen monatliche Raten in Höhe von 180,00 DM zu zahlen hat. Das Verfahren ist durch einen im mündlichen Termin vom 8. September 1993 geschlossenen Vergleich erledigt worden.
Unter dem 5. April 1994 beantragte Rechtsanwalt K. die Festsetzung der Gebühren nach § 123 BRAGO sowie des Differenzbetrages zu einer Gebührenforderung nach § 11 BRAGO. Er errechnete einen Differenzbetrag in Höhe von 1.428,30 DM. Lediglich die Gebühren nach § 123 BRAGO in Höhe von 1.771,00 DM wurden antragsgemäß festgesetzt. Rechtsanwalt K. beantragte daraufhin eine Entscheidung über seinen Antrag auf Festsetzung des Differenzbetrages.
Durch Beschluß vom 19. September 1995 hat der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht Köln diesen Antrag zurückgewiesen. Er hat dazu ausgeführt, gemäß § 124 I BRAGO erhalte der Rechtsanwalt Gebühren bis zur Höhe der Regelgebühren, soweit von der Staatskasse eingezogene Beiträge den Betrag überstiegen, der zur Deckung der in § 122 I Nr. 1 ZPO bezeichneten Kosten und Ansprüche erforderlich sei. Das Gericht dürfe ausschließlich die Kosten und Auslagen dem Schuldner in Rechnung stellen, die der Staatskasse entstanden seien, bzw. die nach § 122 I Nr. 1 b ZPO kraft Gesetzes auf sie übergegangen seien. Die Höhe bestimme sich nach § 123 BRAGO. Übergegangen und damit für die Landeskasse einziehbar seien lediglich die Auslagen für den Antragsteller in der Höhe der PKH-Anwaltsgebühren gemäß § 123 BRAGO gewesen. Die teilweise in der Literatur herangezogene Intention des Gesetzgebers – er habe eine Schlechterstellung der Anwaltschaft nicht gewollt – könne nicht nachvollzogen werden, da eine klare gesetzliche Folge vorliege. Die Festsetzung der weiteren Gebühren komme mithin nur dann in Betracht, wenn die Partei übersteigende Zahlungen geleistet habe. Eingezogene Beträge hätten zum Zeitpunkt der Festsetzung aber nicht existiert, da in der Arbeitsgerichtsbarkeit gemäß § 12 IV ArbGG Kosten erst nach Abschluß des Verfahrens fällig würden und eine Vorschußpflicht nach § 49 GKG nicht bestehe. Die Einstellung der Ratenanordnung sei demgemäß nicht von der Deckung der Regelgebühren des Rechtsanwaltes abhängig. Eine gesetzliche Bestimmung, wonach der Rechtsanwalt grundsätzlich die Regelgebühren erhalte, existiere nicht.
Gegen diesen am 09.10.1995 zugestellten Beschluß hat Rechtsanwalt K. am 10. Oktober 1995 Erinnerung eingelegt. Der Erinnerung gegen diesen Beschluß haben weder der Rechtspfleger noch die Vorsitzende der zuständigen Kammer des Arbeitsgerichts abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II. 1. Bereits hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit bedarf die Erinnerung der Auslegung. Wäre sie im wesentlichen gegen die Ablehnung der Festsetzung des Differenzbetrages gerichtet, dann hätte das Arbeitsgericht selbst gemäß § 128 Abs. 3 BRAGO über diese Erinnerung entscheiden müssen. Gegen dessen Beschluß wäre dann gemäß § 128 Abs. 4 die Beschwerde zulässig.
Stattdessen aber hat das Arbeitsgericht die Erinnerung als Durchgriffserinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG behandelt und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Dieses Verfahren ist richtig, wenn man den angefochtenen Beschluß und die Erinnerung nach ihrem wesentlichen Gehalt auslegt. Tatsächlich nämlich begehrt der Erinnerungsführer mit seinem „Festsetzungsantrag” – wie sich aus einem Schriftsatz vom 06.09.1995 ergibt – zunächst die weitere Einziehung der Raten und wendet sich gegen eine Einstellung der Ratenzahlung. Dieses wird mit dem angefochtenen Beschluß abgelehnt. Die Entscheidung über die Einstellung der Ratenzahlungen gemäß § 120 Abs. 3 ZPO aber fällt originär in die Zuständigkeit des Rechtspflegers (§ 20 Nr. 4 b RPflG), so daß die Durchgriffserinnerung das zutreffende Rechtsmittel ist.
Nur ergänzend sei dazu bemerkt, daß – wie dem Erinnerungsführer offensichtlich auch klar ist – eine Festsetzung nach § 124 Abs. 3 BRAGO erst dann in...