Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert. arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren. Mitbestimmungsrechte nach § 99 BetrVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Streitwert eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens, in dem die Arbeitgeberin in erster Linie die Feststellung begehrt, dass die nach § 99 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zum Einsatz von „pro Schicht (Früh- und Spätschicht) jeweils 12 Leiharbeitnehmer” für die Dauer eines Monats als erteilt gilt.

2. Es handelt sich um eine nicht-vermögensrechtliche Streitigkeit betriebsverfassungsrechtlicher Art. Daher ist der Streitwertrahmen des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG eröffnet.

3. Maßgebliches Kriterium für die Streitwertfestsetzung ist die Bedeutung der Angelegenheit für die Streitbeteiligten, insbesondere für die Antragstellerin. Nicht sachgerecht erscheint es dagegen, in der vorliegenden Konstellation auf die Kosten abzustellen, die der Arbeitgeberin durch den Einsatz der Leih-Arbeitnehmer entstehen.

4. Beantragt die Arbeitgeberin hilfsweise, die verweigerte Zustimmung zu ersetzen und festzustellen, dass die vorläufige Durchführung der Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, sind die Werte von Haupt- und Hilfsanträgen zusammenzurechnen. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Verfahren ohne streitige Entscheidung endet.

 

Normenkette

BetrVG §§ 99-100; RVG § 23

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Beschluss vom 18.08.2008; Aktenzeichen 17 BV 2/08)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 04.09.2008 hin wieder der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 18.08.2008 wie folgt abgeändert:

Der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit im vorliegenden erstinstanzlichen Beschlussverfahren wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 18.08.2008 ist teilweise begründet. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit in dem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren 17 BV 2/08 mit 56.550,00 EUR zu hoch angesetzt.

1. Die Beteiligten stritten um die nach § 99 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zum Einsatz von Leiharbeitnehmern. Die Antragstellerin wollte in ihrem Lager für den Monat Januar 2008 „pro Schicht (Früh- und Spätschicht) jeweils 12 Leiharbeitnehmer” einsetzen. Die Maßnahme beruhte auf einem einheitlichen Entschluss der Arbeitgeberin und wurde dem Betriebsrat in der so eben zitierten Form als Gesamtpaket zur Mitbestimmung nach § 99 BetrVG vorgelegt.

Die Mitbestimmungspflichtigkeit der Maßnahme als solche stand zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

Die Antragstellerin vertrat allerdings die Auffassung, dass aufgrund einer nicht ordnungsgemäß begründeten Zustimmungsverweigerung die Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 99 BetrVG als erteilt zu gelten habe. Hilfsweise begehrte die Antragstellerin die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der Gesamtmaßnahme und die Feststellung, dass deren vorläufige Durchführung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei.

Das Verfahren erledigte sich erstinstanzlich, ohne dass eine gerichtliche Entscheidung erforderlich wurde.

2. Das Arbeitsgericht hat sich bei der Streitwertfestsetzung, dem Antrag des Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats folgend, an den Kosten orientiert, die die Antragstellerin mutmaßlich für den vollschichtigen Einsatz der Leiharbeitnehmer während des beantragten einmonatigen Einsatzzeitraumes aufzubringen hatte. Es ist dabei der Formulierung des Antrags entsprechend vom Einsatz von insgesamt 24 Leiharbeitnehmern – „pro Schicht (Früh- und Spätschicht) jeweils 12 Leiharbeitnehmer” – ausgegangen und hat den von der Antragstellerin für jede Einsatzstunde an die Verleihfirma zu zahlenden Betrag auf 14,50 EUR geschätzt.

3. Der vom Arbeitsgericht gewählte Ansatzpunkt für die Bemessung des Streitwerts erscheint für die vorliegende Fallkonstellation nach der Überzeugung des Beschwerdegerichts nicht sachgerecht.

a. Der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist betriebsverfassungsrechtlicher Art. Es geht um die Ausübung des Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG. Es liegt somit eine nicht-vermögensrechtliche Streitigkeit vor. Daher ist der Streitwertrahmen des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG eröffnet. Dies führt grundsätzlich zu dem Hilfswert von 4.000,00 EUR, jedoch ist der Streitwert „nach Lage des Falles” niedriger oder auch höher anzusetzen.

b. Maßgebliches Kriterium für die Festsetzung des Streitwerts bei einer derartigen nicht-vermögensrechtlichen Streitigkeit ist die Bedeutung der Angelegenheit für die beteiligten Streitparteien, insbesondere für die Antragstellerin (LAG Köln, 7 (9) Ta 479/06, NZA-RR 2008, 43 f.).

c. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die individuellen Gegebenheiten der einzustellenden Personen für den Streit der Beteiligten keinerlei Rolle spielen. Der Streit geht in keiner Weise darum, welche konkreten Personen eingestellt werden sollen. Deren Namen...

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