Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinweispflicht des Gerichts auf irrtümlich unterbliebene Beifügung von Unterlagen zum Prozesskostenhilfeantrag. Nachreichung von Unterlagen zum Prozesskostenhilfeantrag noch im Beschwerdeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Geht der Antragsteller erkennbar irrtümlich davon aus, dass seinem Prozesskostenhilfeantrag die nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO erforderlichen Unterlagen beigefügt waren, kann das aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitende allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren gebieten, dass das Gericht auf das Fehlen der Unterlagen hinweist. Geschieht dies nicht, kann der Antragsteller die fehlenden Unterlagen ausnahmsweise noch im Beschwerdeverfahren vorlegen.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; ZPO § 117 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Entscheidung vom 11.01.2019; Aktenzeichen 3 Ca 2063/18)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnende Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 11.01.2019 - 3 Ca 2063/18 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert.

Dem Kläger wird für den ersten Rechtszug derzeit ratenfreie Prozesskostenhilfe für den Kündigungsschutzantrag (Streitwert 2.847,06 EUR) unter Beiordnung von Rechtsanwalt L mit Wirkung ab dem 26.11.2018 bewilligt.

 

Gründe

I.

Mit seiner nach Durchführung einer Schlichtungsverhandlung vor der Industrie- und Handelskammer am 10.10.2018 bei dem Arbeitsgericht eingereichten Klageschrift begehrte der Kläger die Feststellung der Unwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung seines Ausbildungsverhältnisses, die Feststellung, dass das Ausbildungsverhältnis fortbesteht, die Verurteilung der Beklagten zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses, hilfsweise eines Zeugnisses sowie für den Fall des Obsiegens die Weiterbeschäftigung. Zugleich beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Bezüglich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers verwies er auf eine anliegende Erklärung, die der Klageschrift tatsächlich aber nicht beigefügt war.

Der Gütetermin vom 26.11.2018 blieb erfolglos. Nachdem der Kläger mit Schriftsatz vom 08.01.2019 seine Zustimmung zu einem Vergleichsvorschlag der Beklagten erteilt und dabei gebeten hatte, "die noch zu bewilligende Prozesskostenhilfe auch auf den Abschluss des Vergleichs zu erweitern", stellte das Arbeitsgericht mit einem am 09.01.2019 nach § 278 Abs. 6 ZPO ergangenen Beschluss das Zustandekommen eines Abfindungsvergleichs fest. Mit Beschluss vom 11.01.2019 wies das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag des Klägers mit der Begründung zurück, dass bis zum Abschluss des Verfahrens keine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Gericht eingegangen sei.

Der Beschluss ist dem Kläger am 11.01.2019 zugestellt worden. Dagegen richtet sich seine am 18.01.2019 bei dem Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde, der die Unterlagen beigefügt waren und mit der er geltend macht, dass die Erklärung über die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen aufgrund eines Büroversehens seiner Klageschrift nicht beigefügt gewesen sei. Auf das Fehlen der Erklärung hätte das Gericht - so die Ansicht des Klägers - im Rahmen des Gütetermins vom 26.11.2018 hinweisen müssen. Da sich die Erklärung mitsamt Anlagen in der Handakte seines Prozessbevollmächtigten befunden habe, hätte die Erklärung nebst Unterlagen im Termin ohne weiteres übergeben werden können.

II.

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist teilweise begründet. Das Arbeitsgericht hätte den Prozesskostenhilfeantrag nicht vollumfänglich mit der Begründung zurückweisen dürfen, dass bis zum Abschluss des Rechtsstreits keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers vorgelegen habe.

1.) Allerdings ist das Arbeitsgericht im Grundsatz zutreffend davon ausgegangen, dass Prozesskostenhilfe nur für ein bevorstehendes oder laufendes Verfahren bewilligt werden darf und dass eine Bewilligung nach Instanzende grundsätzlich nicht mehr möglich ist. Denn Zweck der Prozesskostenhilfe ist, die Prozessführung zu ermöglichen, nicht aber, nachträglich der Partei die Kosten für einen bereits geführten Prozess abzunehmen oder ihrem Rechtsanwalt das Honorar zu beschaffen. Die Bewilligung setzt daher voraus, dass zum Zeitpunkt der Erledigung des Hauptsacheverfahrens der Antrag entscheidungsreif war. Hierfür ist erforderlich, dass der Antragsteller durch einen formgerechten Antrag von seiner Seite aus alles für die Bewilligung Erforderliche oder Zumutbare getan hat. Dazu gehört nach § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO auch die Vorlage einer Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie der entsprechenden Belege. Liegen diese Unterlagen nicht vor, kommt eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Abschluss der Instanz nach Auffassung des Bundesarbeitsg...

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