Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Zuweisung von Tätigkeiten im Leistungslohn. Einzelfall zur Frage des Vorliegens einer Versetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Einzelfall zur Frage des Vorliegens einer Versetzung

 

Normenkette

ArbGG § 81 Abs. 3 S. 1; BetrVG § 95 Abs. 3 S. 1, § 99

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 28.08.2023; Aktenzeichen 5 BV 110/22)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 28.08.2023 - 5 BV 110/22 - wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Zuweisung von Tätigkeiten im Leistungslohn.

Die kraft Organisationszugehörigkeit tarifgebundene Arbeitgeberin, ein Unternehmen der Metallindustrie mit 445jähriger Geschichte und derzeit noch ca. 150 Arbeitnehmern, ist auf die Herstellung von Kupfer- und Kupferlegierungsbändern spezialisiert. Auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer des S Betriebs finden die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW, insbesondere das Entgeltrahmenabkommen (ERA) Anwendung. Entgeltgrundsätze im Sinne des ERA sind nach § 5 Nr. 1 ERA das Leistungsentgelt (Akkord, Prämie, Zielvereinbarung I) und das Zeitentgelt (mit Leistungszulage gemäß § 10 ERA, Zielvereinbarung II).

Die Beteiligten hatten seit Einführung des ERA für den überwiegenden Teil der Arbeitsplätze im Bereich der Produktion (Kostenstellen) Prämienregelungen getroffen, zuletzt mit der Betriebsvereinbarung vom 12.10.2016, die den Arbeitnehmern ein monatliches Prämienentgelt in Höhe von ca. 30 % des tariflichen monatlichen Grundentgelts gewährte. Gemäß Nr. 10.1 der Betriebsvereinbarung war sie mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist kündbar und soll weiter bis zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung wirken. Mit Schreiben vom 14.04.2021 kündigte die Arbeitgeberin die Betriebsvereinbarung. Sie strebt einen Wechsel von dem Entgeltgrundsatz Leistungsentgelt mit Prämie zu dem Entgeltgrundsatz Zeitentgelt mit Leistungszulage an.

Am 05.10.2022 fasste die von ihr angerufene Einigungsstelle einen Beschluss, wonach die ganz überwiegende Zahl der Kostenstellen, darunter die sog. Vorbeize, die Fertigungsschere NOBS II und - gemäß einem Berichtigungsbeschluss vom 08.12.2022 auch die Fertigungsbeize - dem Entgeltgrundsatz Zeitentgelt entsprechen. Die Wirksamkeit dieses Einigungsstellenbeschlusses ist insoweit Gegenstand des beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Verfahrens 1 ABR 11/24. Für drei Kostenstellen, darunter die Packerei, beschloss die Einigungsstelle eine Betriebsvereinbarung über die Anwendung des Entgeltgrundsatzes Leistungsentgelt mit der Entgeltmethode Prämie.

Seit November 2022 teilt die Arbeitgeberin regelmäßig die Arbeitnehmer, die an den dem Zeitlohn zugeordneten Arbeitsplätzen Fertigungsschere NOBS II, Fertigbeize bzw. Vorbeize beschäftigt sind, in der Packerei ein, wenn es unter der dortigen Stammbesetzung zu Ausfällen kommt. Die Einsätze sind jeweils kürzer als ein Monat.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass eine Zuweisung von einer Tätigkeit im Zeitlohn auf einen Arbeitsplatz im Leistungslohn die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches und damit eine Versetzung darstelle. Die bei der Arbeitsleistung jeweils einwirkenden Belastungen und Anforderungen unterschieden sich je nach dem anzuwendenden Entgeltgrundsatz erheblich: Auf einem dem Entlohnungsgrundsatz Leistungslohn unterfallenden Arbeitsplatz werde dem Arbeitnehmer aufgegeben, die Höhe seiner Vergütung durch Geschwindigkeit und Intensität seiner Arbeitsleistung selbst zu bestimmen, um - anders als im Zeitlohn - durch besonders hohen Arbeitskrafteinsatz ein möglichst hohes Arbeitsentgelt zu erzielen. Dies gelte insbesondere für die von der Arbeitgeberin veranlassten Wechsel auf den dem Leistungslohn unterfallenden Arbeitsplatz in der Packerei. Durch die permanente Anspannung erhöhe sich in der Packerei der psychische Druck auf den Arbeitnehmer.

Der Betriebsrat hat beantragt,

festzustellen, dass die Zuweisung der Tätigkeit von den dem Entgeltgrundsatz Zeitlohn unterfallenden Arbeitsplätzen "Fertigungsschere NOBS II", (Kostenstelle 2142), dem Arbeitsplatz "Fertigbeize", (Kostenstelle 1147), und dem Arbeitsplatz "Vorbeize", (Kostenstelle 1146), auf den dem Entgeltgrundsatz Leistungslohn unterfallenden Arbeitsplatz "Packerei", (Kostenstelle 2161), eine beteiligungspflichtige Versetzung iSd. § 99 Abs. 1 BetrVG ist.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen einer mitbestimmungspflichtigen Versetzung lägen nicht vor. Es fehle an einer erheblichen Veränderung der Arbeitsbedingungen, zumal auch im Zeitentgelt durch die Leistungszulage eine leistungsbezogene Vergütung erfolge und infolge der fehlenden Sollzeitvorgaben auch die Prämien - wie bisher - in verstetigter Höhe geleistet würden. Unabhängig davon scheide die Annahme einer Versetzung ohnehin deshalb aus, weil die str...

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