Entscheidungsstichwort (Thema)

Offensichtliche Unzuständigkeit einer Einigungsstelle bei Bestehen einer ungekündigten Betriebsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

Das Bestehen einer ungekündigten Betriebsvereinbarung führt nicht zur offensichtlichen Unzuständigkeit einer Einigungsstelle bzgl. Änderungen und Ergänzungen des Regelungsgegenstands.

 

Normenkette

ArbGG § 99

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 27.08.2014; Aktenzeichen 6 BV 51/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats wird unter Zurückweisung im Übrigen der Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 27.08.2014 - 6 BV 51/14 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Zum Einigungsstellenvorsitzenden über die Verhandlungen über Änderungen und Ergänzungen der "Rahmenbetriebsvereinbarungen über die Einführung und Anwendung des Schulungsprogramms MKT 2" vom 20.06.2007 wird Herr D . J S , Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht, bestellt und die Zahl der Beisitzer wird auf jeweils drei pro Seite festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Einsetzung und die Besetzung einer Einigungsstelle.

Der Beteiligte zu 2) ist der bei der Beteiligten zu 1) gebildete Gesamtbetriebsrat. Die Beteiligten schlossen unter dem 20.06.2007 eine Rahmenbetriebsvereinbarung (RBV) über die Einführung und Anwendung des Schulungsprogramms MKT, die sie inhaltlich durch eine Protokollnotiz vom 23.11.2011 ergänzten. Wegen der Einzelheiten der Vereinbarungen wird auf Bl. 24 ff. d. A. verwiesen.

Nachdem sich die Beteiligten über eine weitere Änderung und Ergänzung der RBV nicht verständigen konnten, hat die Beteiligte zu 1) beim Arbeitsgericht die Einsetzung einer Einigungsstelle beantragt. Die RBV wurde von keinem der Beteiligten gekündigt.

Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Beschluss vom 27.08.2014 (Bl. 56 ff. d.A.) den Direktor des Arbeitsgerichts Solingen, D . H , zum Einigungsstellenvorsitzenden über die Verhandlungen über Änderungen und Ergänzungen der RTV bestellt und die Zahl der Beisitzer je Seite auf zwei festgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Einigungsstelle sei trotz ungekündigter RBV nicht offensichtlich unzuständig. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Beteiligten erster Instanz wird auf I., wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird II. der Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, wonach die Beschwerde binnen einer Notfrist von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim Landesarbeitsgericht Köln einzulegen ist.

Gegen den ihm am 29.08.2014 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 2) am 29.09.2014 Beschwerde eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Beteiligte zu 2) trägt vor, die RBV enthalte weder eine Öffnungsklausel noch einen Änderungsvorbehalt, so dass der Einsetzung einer Einigungsstelle die Bindungswirkung der ungekündigten RBV entgegen stehe. Ein Verhandlungsanspruch bestehe nicht, solange die Betriebsvereinbarung nicht gekündigt sei, so dass die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei. Der Beteiligte zu 2) erhebt Bedenken gegen den vom Arbeitsgericht eingesetzten Vorsitzenden aufgrund früher Einigungsstellentätigkeit in einem der betroffenen Standorte. Er vermutet einen Zusammenhang zwischen dem Ausgang eines Einigungsstellenverfahrens und der Benennung durch die Beteiligte zu 1). Darüber hinaus müsse jedes der Werke durch einen Beisitzer in der Einigungsstelle vertreten sein, da die RBV jedes Werk betreffe und ggfs. auch in jedem der Werke Besonderheiten bestünden.

Der Beteiligte zu 2) beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 27.08.2014, Az. 6 BV 51/14, abzuändern und unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist den Antrag der Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 1) beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beteiligte zu 1) verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts mit Rechtsausführungen. Der vom Arbeitsgericht benannte Vorsitzende zeichne sich durch fachliche Kompetenz und Neutralität aus. Die Interessenlage in den fünf Standorten sei sehr ähnlich, so dass allenfalls eine Anzahl von drei Beisitzern angemessen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten vom 29.09.2014, 15.10.2014 und 25.11.2014 sowie die Sitzungsniederschrift vom 03.12.2014 Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, denn zum einen ist sie nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft. Zum anderen war dem Beteiligten zu 2) gemäß den §§ 87 Abs. 2, 64 Abs. 6 ArbGG, 233 ff. ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Frist zur Einlegung und Begründung der Beschwerde zu gewähren.

Nachdem der Beteiligte zu 2) im Anhörungstermin am 03.12.2014 auf die Versäumung der zweiwöchigen Beschwerdeeinlegungs- und -begründungsfrist des § 98 Abs. 2 Satz 2 ArbGG hingewiesen worden ist, ha...

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