Rechtsmittel zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Versetzung. Auslandseinsätze
Leitsatz (amtlich)
Nicht jede Anordnung und Durchführung einer Auslandsdienstreise mit mindestens einer auswärtigen Übernachtung unterliegt als Versetzung dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß den §§ 99, 100 BetrVG. Ob die Erheblichkeitsschwelle des § 95 Abs. 3 BetrVG überschritten ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden.
Normenkette
BetrVG §§ 99-100
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Beschluss vom 08.10.1997; Aktenzeichen 2 BV 63/97) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Arbeitgebers wird der am 08.10.1997 verkündete Beschluß des Arbeitsgerichts Bonn – 2 BV 63/97 – teilweise abgeändert:
1. Unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen wird festgestellt, daß die Anordnung und Durchführung von Auslandseinsätzen von Mitarbeitern/innen, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreiten, dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß den §§ 99, 100 BetrVG mit der Einschränkung nach § 118 Abs. 1 BetrVG unterliegt.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Anordnung und Durchführung von Auslandsdienstreisen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterliegen.
Mit Schreiben vom 19.12.1996 teilte der Arbeitgeber dem Betriebsrat mit, daß der Angestellte Dr. van den Boom zugestimmt habe, eine viermonatige Dienstreise in die USA zu unternehmen. Dort sollte er in seiner Funktion als Bereichsleiter B 1 die Bearbeitung eines Fernsehsprachkurses betreuen. Der Betriebsrat wies den Arbeitgeber mit Schreiben vom 08.01.1997 (Kopie Bl. 8 d.A.) darauf hin, daß es sich bei dieser Dienstreise um eine personelle Einzelmaßnahme (Versetzung gemäß § 95 BetrVG) handele, und verlangte „zunächst einmal” die dazu notwendigen vollständigen Unterlagen. Nachdem der Angestellte Dr. van den Boom die Reise ohne Wissen des Betriebsrats angetreten hatte, protestierte dieser mit Schreiben vom 28.01.1997 (Kopie Bl. 9 d.A.).
Der Betriebsrat hat die Ansicht vertreten, daß es sich bei der Dienstreise um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne der §§ 95 Abs. 3, 99 Abs. 1 BetrVG gehandelt habe. Denn die Zuweisung eines anderen Arbeitsortes sei auch bei gleichbleibender Tätigkeit als Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs zu verstehen. Dabei spiele die Dauer der Reise keine Rolle. Auch eine Dienstreise, die eine Dauer von einem Monat unterschreite, sei mitbestimmungspflichtig, weil der Ortswechsel eine erhebliche Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu verrichten sei, bedeute.
Der Betriebsrat hat beantragt,
festzustellen, daß die Anordnung und Durchführung von Auslandsdienstreisen von Mitarbeitern/innen seinem Mitbestimmungsrecht gemäß §§ 99, 100 BetrVG unterliegt,
hilfsweise,
festzustellen, daß die Anordnung und Durchführung von Auslandseinsätzen von Mitarbeitern/innen, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreiten, seinem Mitbestimmungsrecht gemäß §§ 99, 100 BetrVG unterliegt.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat zunächst eingewandt, daß der Betriebsrat einen sogenannten Global-antrag gestellt habe, der nur dann begründet sei, wenn die Anordnung bzw. Durchführung von Auslandsdienstreisen in jeder denkbaren Fallgestaltung mitbestimmungspflichtig sei. Das treffe aber nicht zu. Denn nicht jede Auslandsdienstreise stelle eine Versetzung dar. Es komme vielmehr ganz wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an. Darüber hinaus sei der Betrieb des Arbeitgebers ein Tendenzbetrieb im Sinne des § 118 Abs. 1 BetrVG. Bei der Versetzung eines Tendenzträgers – z.B. von Herrn Dr. van den Boom – bedürfe es daher nicht der Zustimmung des Betriebsrats. Er sei lediglich vor der Durchführung der Versetzung zu unterrichten.
Mit Beschluß vom 08.10.1997 hat das Arbeitsgericht dem Antrag stattgegeben.
Wegen seiner Entscheidungsgründe wird auf Bl. 70 ff. d.A. Bezug genommen.
Gegen den ihm am 29.10.1997 zugestellten Beschluß des Arbeitsgerichts hat der Arbeitgeber am 01.12.1997 Beschwerde eingelegt, die nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 15.01.1998 begründet worden ist. Er trägt vor, die streitbefangenen Dienstreisen seiner Mitarbeiter seien bereits deshalb nicht als Versetzungen anzusehen, weil die Durchführung der Reisen notwendiger Bestandteil der von den Mitarbeitern zu erbringenden Arbeitsleistung sei. Es handele sich insoweit gerade nicht um Fallgestaltungen, bei denen typischerweise auf Anweisung des Arbeitgebers der Arbeitnehmer aus dem Betrieb vorübergehend in einen anderen Betrieb eingegliedert werde oder an einem fremden Arbeitsort mit zusätzlichen oder auch gleichen Aufgaben betraut werde und dies, weil es für den Arbeitnehmer bei Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht vorhersehbar gewesen sei, eine Sondersituation darstelle. Die Notwendigkeit, Dienstreisen zu unternehmen, ergebe sich aus den Besonderheiten des Tätigkeitsfelds des Arbeitgebers. Er habe die Aufgabe, die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Ausland zu festigen und d...