Entscheidungsstichwort (Thema)

Klagefrist. unzuständiges Gericht. Fristversäumnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auch nach der Änderung des § 48 ArbGG durch das Gesetz vom 17.12.1990 (BGBl. I 2809) verbleibt es bei dem Grundsatz, daß eine beim unzuständigen Amtsgericht erhobene Kündigungsschutzklage geeignet ist, die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG zu wahren.

2. Die erst durch eine Klagerücknahme eintretende Fristversäumnis ist nicht unverschuldet im Sinne des § 5 Abs. 1 KSchG. Die Fahrlässigkeit seines Prozeßbevollmächtigten muß sich der Arbeitnehmer nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.

 

Normenkette

ArbGG § 48; GVG § 17; KSchG §§ 4-5

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Beschluss vom 19.03.1998; Aktenzeichen 1 Ca 3384/97)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Arbeitsgericht Siegburg vom 19.03.1998 – 1 Ca 3384/97 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 29.10.1997. Die vom Kläger zunächst mit Schriftsatz vom 07.11.1997 an das Amtsgericht Siegburg adressierte und dort am 11.11.1997 eingegangene Kündigungsschutzklage nahm der frühere Prozeßbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 19.12.1997, beim Amtsgericht eingegangen am 23.12.1997, zurück.

Mit Schriftsatz vom gleichen Tage hat der Kläger sodann die vorliegende Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Siegburg erhoben, die per Telefax noch am 19.12.1997 eingegangen ist. Gleichzeitig hat er beantragt, die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Klageschrift vom 07.11.1997 sei von seinem Anwalt diktiert und ausdrücklich an das Arbeitsgericht Siegburg adressiert worden. Eine ansonsten immer zuverlässig arbeitende Anwaltsgehilfen habe das Diktat übertragen und die Klageschrift dabei irrtümlich an das Amtsgericht Siegburg adressiert.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag auf nachträgliche Zulassung mit Beschluß vom 19.03.1998 zurückgewiesen. Wegen seiner Begründung wird auf Bl. 35 ff. d. A. Bezug genommen.

Gegen den ihm am 22.05.1998 zugestellten Beschluß hat der Kläger am 05.06.1998 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur Begründung verweist er auf sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

den Beschluß des Arbeitsgerichts Siegburg vom 19.03.1998 aufzuheben und die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde vom 05.06.1998 zurückzuweisen.

Sie hält den Antrag auf nachträgliche Zulassung bereits für unzulässig, im übrigen auch für unbegründet. Insoweit verteidigt sie den angefochtenen Beschluß aus Rechtsgründen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig, weil sie nach § 5 Abs. 4 S. 2 KSchG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden ist.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage ist jedenfalls unbegründet. Denn der Kläger war nicht trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung zu erheben (§ 5 Abs. 1 KSchG). Das Arbeitsgericht hat dies mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, im einzelnen ausgeführt. Da die Beschwerde mangels näherer Begründung offensichtlich nur eine Rechtsprüfung durch das Beschwerdegericht erstrebt, genügen folgende Hinweise:

Die am 07.11.1997 beim unzuständigen Amtsgericht Siegburg an sich fristgerecht erhobene erste Kündigungsschutzklage war geeignet, die Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG zu wahren. Die Verweisung an das zuständige Arbeitsgericht nach Fristablauf wäre unschädlich gewesen. Denn es handelt sich um ein einheitliches Verfahren, das in der Lage fortgesetzt wird, in der es sich bei der Verweisung befand (vgl. BAG vom 31.03.1993 EzA § 4 KSchG n. F. Nr. 46). Daran ist auch nach der Änderung des § 48 ArbGG durch das Gesetz vom 17.12.1990 (BGBl. I 2809) festzuhalten, obwohl es jetzt nicht mehr um eine Frage der sachlichen Zuständigkeit, sondern des Rechtswegs geht. Nach wie vor handelt es sich um ein einheitliches Verfahren. Die Rechtswirkungen der Rechtshängigkeit bleiben nach Maßgabe des § 17 b Abs. 1 S. 2 GVG trotz der Verweisung sowohl in prozessualer wie auch in materiell-rechtlicher Hinsicht erhalten. Das gilt auch für die fristwahrende Wirkung der Klage (vgl. Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 6. Aufl., Rdnr. 1100; KR-Friedrich, 4. Aufl., § 4 KSchG Rdnr. 186 m. w. N.). Der frühere Prozeßbevollmächtigte des Klägers hätte sich über diese Rechtslage anhand der zitierten Kommentarliteratur unschwer informieren und die erst infolge der Klagerücknahme eingetretene Fristversäumnis vermeiden können. Ob eine andere Beurteilung gerechtfertigt wäre, wenn der Kläger selbst als rechtlicher Laie die Klage zurückgenommen hätte, kann dahinstehen.

Die Fahrlässigkeit seines früheren Prozeßvertreters muß sich der Kläger ...

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