Leitsatz (redaktionell)
1. Eine einzelne Streikmaßnahme kann angesichts der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Streikrechts im einstweiligen Verfügungsverfahren nur untersagt werden, wenn sie eindeutig rechtswidrig ist.
2. Im Rahmen einer im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung, kommt eine Untersagung nicht in Betracht, wenn sich nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit die Rechtswidrigkeit des vorgesehenen Streiks feststellen lässt.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; ZPO §§ 935, 940, 91a
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 16.11.2006; Aktenzeichen 6 Ga 22/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 16.11.2006 – 6 Ga 22/06 – abgeändert:
Die Kosten des Verfahrens trägt der Verfügungskläger.
Tatbestand
I. Der Verfügungskläger hat die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung eines Solidaritätsstreiks in Anspruch genommen, zu dem v. für den 09.03.2006 „ab 07:30 Uhr bis ca. 09:30 Uhr” aufgerufen hatte. v. verstoße damit gegen die Friedenspflicht wegen des bereits am 13.09.2005 abgeschlossenen Tarifvertrages.
Durch Beschluss vom 08.03.2006 hat das Arbeitsgericht ohne mündliche Verhandlung die einstweilige Verfügung erlassen, wogegen die Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt hat. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 16.11.2006 haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Das Arbeitsgericht hat daraufhin der Verfügungsbeklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt mit der Begründung: Die einstweilige Verfügung sei aufrecht erhalten worden, weil es sich bei dem Streikaufruf nicht um einen solchen zu einem Erzwingungsstreik, sondern um einen solchen zu einem Solidaritäts/Sympathiestreik gehandelt habe. Ein solcher Streik sei grundsätzlich rechtswidrig; denn er diene nicht der unmittelbaren Durchsetzung tariflicher Regelungen, sondern der Unterstützung eines Arbeitskampfes, an dessen Ergebnis die Streikenden selbst nicht partizipierten, zumindest nicht direkt. Im Übrigen habe zwischen den Parteien ein gültiger Tarifvertrag bestanden, der Streikaufruf habe also gegen die bestehende Friedenspflicht verstoßen.
Gegen diesen am 05.02.2007 zugestellten Beschluss hat die Verfügungsbeklagte am 14.02.2007 sofortige Beschwerde eingelegt.
Entscheidungsgründe
II. Die gemäß §§ 46 Abs. 2, 62 Abs. 2, 78 ArbGG, 91 a Abs. 2 S. 1, 567 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Nach § 91 a ZPO sind die Kosten des Verfahrens dem Verfügungskläger aufzuerlegen. Nach § 91 a Abs. 1 S. 1 ZPO entscheidet das Gericht bei übereinstimmender Erledigungserklärung, wie sie hier vorliegt, über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Dies bedeutet, dass im Allgemeinen der ohne die Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang bei der Kostenentscheidung den Ausschlag gibt. Dabei reicht eine summarische Prüfung (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18.09.1992 – 1 BVR 1074/92 – NJW 93, 1060, 1061). Schwierige rechtliche Fragen zu klären, dient das Verfahren nicht, so dass die Beurteilung der Erfolgsaussichten nach überwiegender Wahrscheinlichkeit genügt (Zöller-Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., Rdnr. 94 zu § 91 a). Bei Anwendung dieser Grundsätze sind die Kosten des Verfahrens dem Verfügungskläger aufzuerlegen, weil bei summarischer Prüfung das Obsiegen der Verfügungsbeklagten wahrscheinlicher gewesen wäre.
1. Eine Streikmaßnahme kann angesichts der Bedeutung des Streikrechts (Art. 9 Abs. 3 GG) im einstweiligen Verfügungsverfahren nur dann untersagt werden, wenn sie eindeutig rechtswidrig ist und dies glaubhaft gemacht wird. Die beantragte Untersagungsverfügung muss zum Schutz des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und zur Abwendung drohender wesentlicher Nachteile geboten und erforderlich sein. Zur Prüfung, ob eine auf Unterlassung eines Arbeitskampfes gerichtete einstweilige Verfügung im Sinne des § 940 ZPO zur Anwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, hat eine Interessenabwägung stattzufinden, in die sämtliche in Betracht kommenden materiellrechtlichen und vollstreckungsrechtlichen Erwägungen sowie die wirtschaftlichen Auswirkungen für beide Parteien einzubeziehen sind (vgl. Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 02.05.2003 – 9 SaGa 636/03 – NZA 2000, 679, 680; Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 12.12.2005 – 2 Ta 457/05 –; Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 2. Aufl., S. 362 bis 364). Bei Anwendung dieser Grundsätze hätte die einstweilige Verfügung wohl nicht erlassen werden dürfen.
2. Es lässt sich nämlich nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit die Rechtswidrigkeit des für den 09.03.2006 vorgesehenen Streiks feststellen, weil ein Verstoß gegen die Friedenspflicht vorläge.
a) Zwar war in dem zwischen der V. und v. am 13.09.2005 abgeschlossenen Arbeitsvertrag auch die Arbeitszeit geregelt, nämlich in § 6 und der Streik hatte die „Solidarität mit den Streikenden im Kampf...