Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlussverfahren. einstweilige Verfügung. Unterlassen. Mitbestimmungsrecht. Erfüllungswirkung. Verfügungsgrund
Leitsatz (amtlich)
1.) Zur Auslegung einer Betriebsvereinbarung über die Grundsätze der Dienstplangestaltung im Pflegebereich einer medizinischen Einrichtung.
2.) Bei der Beurteilung eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, die eine sog. Erfüllungswirkung hätte, kommt dem sog. Verfügungsgrund eine herausgehobene Bedeutung zu. Eine einstweilige Verfügung mit Erfüllungswirkung darf nur erlassen werden, wenn die Quasi-Vorwegnahme der Hauptsache durch das Eilverfahren nach dem Ergebnis einer Abwägung der Interessen der beteiligten Streitparteien dringend geboten erscheint.
3.) Zur Anwendung dieser Grundsätze auf einen Verfügungsantrag, durch welchen dem Arbeitgeber aufgegeben werden soll, ein bestimmtes als mitbestimmungswidrig bezeichnetes Verhalten zu unterlassen, wenn die Existenz des betreffenden Mitbestimmungsrechts zwischen den Beteiligten streitig ist.
Normenkette
ArbGG § 85 Abs. 2; ZPO § 935 ff.; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Beschluss vom 07.12.2010; Aktenzeichen 6 BVGa 6/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 07.12.2010 in Sachen 6 BVGa 6/10 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten um einen Unterlassungsanspruch des Antragstellers/Betriebsrats wegen der vermeintlichen Verletzung von Mitbestimmungsrechten aus der Betriebsvereinbarung über die Grundsätze der Dienstplangestaltung im Pflegebereich des N A vom 15.01.2010 durch den Arbeitgeber.
Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 6. Kammer des Arbeitsgerichts Aachen dazu bewogen haben, den Antrag des Betriebsrats auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, wird auf die Abschnitte I und II des angefochtenen arbeitsgerichtlichen Beschlusses vom 07.12.2010 Bezug genommen.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts wurde dem Betriebsrat am 13.12.2010 zugestellt. Er hat hiergegen am 17.12.2010 Beschwerde eingelegt und diese auch zugleich begründet.
Der Beschwerdeführer/Betriebsrat kritisiert, dass das Arbeitsgericht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bezüglich des Einsatzes der Pflegekräfte auf den verschiedenen Behandlungsebenen des K.-N. A. zu Unrecht verneint habe. Gemäß §§ 2 und 5 der Betriebsvereinbarung müsse jeder Dienstplan auch die genaue Einteilung der Pflegekräfte auf die einzelnen Behandlungsebenen enthalten. Nach § 7 der Betriebsvereinbarung bedürfe aber jegliche nachträgliche Abweichung vom Dienstplan der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats, soweit kein Eilfall im Sinne des § 7 Abs. 3 der BV vorliege. Nach dem eindeutigen Wortlaut der BV sei somit – in Erweiterung des Katalogs der Mitbestimmungsrechte aus § 87 Abs. 1 BetrVG – der Einsatz einer Pflegekraft auf einer anderen Behandlungsebene als im jeweiligen Dienstplan vorgesehen mitbestimmungspflichtig.
Hiergegen habe der Arbeitgeber am 29.11., 01.12., 03.12. und 06.12.2010 verstoßen. Mit der Geltendmachung seines Mitbestimmungsrechts verfechte er, der Betriebsrat, auch nicht lediglich eine formale Rechtsposition. Die Einteilung der Pflegekräfte auf die jeweiligen Behandlungsebenen habe vielmehr unmittelbare Auswirkungen nicht nur auf die Patientenversorgung, sondern auch auf die damit verbundene Arbeitsbelastung der auf den jeweiligen Behandlungsebenen tätigen Pflegekräfte. So habe zum Beispiel der im Dienstplan nicht vorgesehene Einsatz der Pflegekraft J B am 03.12.2010 auf der Ebene III dazu geführt, dass auf der Ebene I nur zwei Pflegekräfte 16 Patienten behandeln mussten.
Der Betriebsrat/Antragsteller/Beschwerdeführer beantragt nunmehr,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 07.12.2010, 6 BVGa 6/10, abzuändern und im Wege der einstweiligen Verfügung dem Beteiligten zu 2) aufzugeben, es zu unterlassen, ohne Zustimmung des Antragstellers bzw. einen die Zustimmung ersetzenden Spruch der Einigungsstelle Pflegekräfte des K.-N. A. auf einer anderen Behandlungsebene als im Dienstplan vorgesehen einzuteilen und einzusetzen.
Der Arbeitgeber/Antragsgegner/Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Arbeitgeber ist der Auffassung, dass es vorliegend schon an einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats und somit an einem Verfügungsanspruch fehle. In der Betriebsvereinbarung vom 15.01.2010 hätten die Beteiligen vereinbart, welche Schichten und Schichtzeiten es im N. A. gebe, auf welche Schichten und Tage die Arbeitszeit aufgeteilt wird, auf welchen Ebenen in diesen Schichten an den einzelnen Tagen gearbeitet werden soll und dass der Betriebsrat im Fall einer Anordnung von Überstunden zu beteiligen ist. Ein über den Umfang des gesetzlichen Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hinausgehendes Beteiligungsrecht, welches sich auf die Frage beziehen sollte, auf welcher der vereinbarten Behandlungsebenen die Mitar...