Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlußverfahren. Vollstreckungstitel betreffend Belegschaftsstärke
Leitsatz (amtlich)
1. Die im Beschlußverfahren rechtskräftige Anordnung, der Arbeitgeber habe auf abstrakt bestimmten Arbeitsplätzen „mindestens 135 Facharbeiter und Fachkräfte” zu beschäftigen, kann nicht mittels Zwangsgeldes nach § 888 ZPO durchgesetzt werden, wenn Gegenstand des Beschlußverfahrens nur die Wirksamkeit der diesbezüglichen Rechtsgrundlage (nachwirkende Betriebsvereinbarung) gewesen ist und die Frage, durch welche unvertretbaren, ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängigen Handlungen der geschuldete Erfolg zu bewirken sei, nicht zur Entscheidung des Gerichts gestanden hat.
2. Jedenfalls bietet das Vollstreckungsverfahren keinen Raum, erstmals die Frage zu klären, ob das Beschäftigungssoll nur durch hauptberuflich tätige Vollzeit-Arbeitskräfte erreicht wird oder ggf. auch durch Facharbeiter, die während eines Hochschul- oder Fachhochschulstudiums nebenbei im gesetzlich zulässigen Rahmen als „Werkstudenten” beschäftigt werden.
Normenkette
ZPO §§ 888, 704
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Beschluss vom 17.05.1996; Aktenzeichen 4 BV 45/93) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Zwangsgeldbeschluß des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.05.1996 – 4 BV 45/93 – aufgehoben.
Dieser Beschluß ist nicht anfechtbar. Beschwerdewert: 20.000,– DM.
Tatbestand
I. Das Arbeitsgericht Aachen hat in dem mit einem Antrag des Betriebsrates vom 27.09.1993 eingeleiteten Beschlußverfahren dem Antrag stattgegeben und durch den Beschluß vom 06.091994 (Blatt 105 bis 113 d.A.) wie folgt erkannt:
„Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, im technischen Dienst (Kostenstellen 250 und 550) mindestens 135 Facharbeiter und Fachkräfte zu beschäftigen.”
Das Landesarbeitsgericht Köln hat durch Beschluß vom 27.04.1995 – 10 TaBV 69/94 – die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen und unter anderem die auf Besonderheiten der Entstehungsgeschichte gestützte Feststellung des Arbeitsgerichts bestätigt, wonach die in einer fristgerecht zum 31.12.1993 gekündigte „Betriebsvereinbarung über Mehrarbeit an Wochenenden” – Betriebsvereinbarung Nr. 19/90 – enthaltene (freiwillige) Vereinbarung der Personalstärke einer bestimmten Betriebsabteilung (Technischer Dienst) wegen notwendiger Verknüpfung mit mitbestimmungspflichtigen Regelungen an der Nachwirkung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG teilnehme.
Der seinerzeit umstrittene Passus der Betriebsvereinbarung Nr. 19/90 lautet:
„Die Zahl der Facharbeiter und Fachkräfte des Technischen Dienstes (Kost. 250/550) wird auf 135 Personen erhöht. Ausscheidende Facharbeiter und Fachkräfte sind durch Neueinstellungen zu ersetzen. Wobei bevorzugt selbstausgebildete Elektro- und Metallfacharbeiter nach erfolgreichem Abschluß der Facharbeiterprüfung in unbefristete Arbeitsverhältnisse zu übernehmen sind.
Die Produktion stellt für die Wochenendarbeit dem Bedarf entsprechend weitere versierte Arbeitskräfte dem Technischen Dienst zur Verfügung.”
Mit einem Vollstreckungsantrag vom 28.09.1995 hat der Betriebsrat einen Beschluß des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.10.1995 erwirkt durch den gegen die Arbeitgeberin ein Zwangsgeld von 5.400,– DM gemäß § 888 ZPO festgesetzt wurde; dieses Zwangsgeld ist nach Rechtskraft des Beschlusses gezahlt worden.
Mit einem neuerlichen Antrag vom 27.11.1995, bei dem Arbeitsgericht eingegangen am 29.11.1995 (Blatt 174 ff d.A.), hat der Betriebsrat nochmals beantragt, gegen den Arbeitgeber ein Zwangsgeld festzusetzen wegen Nichtvornahme der Verpflichtung aus dem Beschluß des Arbeitsgerichts vom 06.09.1994. Er hat zur Begründung vorgetragen, die Zahl von 135 Facharbeitern sei nach wie vor nicht erreicht. Inzwischen ist unstreitig, daß die Arbeitgeberin im Januar 1996 die Auszubildenden, die ihre Facharbeiterprüfung erfolgreich abgeschlossen haben, übernommen hat, und zwar in den Bereich „Zentrale Aufgaben”. In diesem Bereich wird inzwischen auch die frühere Kostenstelle 250/550 nunmehr unter den Nummern 0120 und 0121 geführt. Der Betriebsrat mach weiterhin geltend, es fehlten noch mindestens 20 Facharbeiter. Unstreitig beschäftigt die Beklagte in dem genannten Bereich 45 sogenannte Werkstudenten mit Arbeitsverträgen über die während des Semesters zulässige Stundenzahl von 19 Wochenstunden; diese Werkstudenten haben die erforderliche Facharbeiterprüfung nachgewiesen. Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, es handele sich hierbei lediglich um zusätzliche Hilfskräfte; die zwingenden Bestimmungen der Betriebsvereinbarung könnten hierdurch nicht umgangen werden. Für den Monat Mai 1996 hat der Betriebsrat mehrmals dem Einsatz dieser Werkstudenten die gemäß § 99 BetrVG erforderliche Zustimmung verweigert.
Der Versuch, mit dem Antragsteller auf dem Verhandlungswege eine Änderung der Betriebsvereinbarung Nr. 19/90 und für das tariflich vorgesehene Einigungsstellenverfahren die Einwilligung der IG Metall zu erreichen, ist vergebens gewesen.
Das Arbeitsgericht Aachen hat mit dem Beschluß vom 17.05.19...