Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratsmitglied. Kündigung. Amtsausübung. Verhinderung
Leitsatz (amtlich)
Ein gekündigtes Betriebsratsmitglied bleibt auch nach erstinstanzlichem Obsiegen im Kündigungsrechtsstreit weiter an der Amtsausübung verhindert und hat deshalb kein Recht auf Ladung und Teilnahme an Betriebsratssitzungen. Etwas anderes gilt, wenn das erstinstanzliche Gericht einen Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf vorläufige Weiterbeschäftigung bereits während der Dauer des Kündigungsrechtsstreits zuerkannt hat (Anschluss an LAG München, Beschluss vom 27. Januar 2011 – 3 TaBVGa 20/10 –).
Normenkette
BetrVG § 29 Abs. 2 S. 3, § 78
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Beschluss vom 05.07.2011; Aktenzeichen 4 BVGa 11/11) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 5. Juli 2011 – 4 BVGa 11/11 – abgeändert:
Die Anträge der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über das von der Antragstellerin und Beteiligten zu 1), die gewähltes Betriebsmitglied ist, begehrte Recht auf Ladung und Teilnahme an den Sitzungen des Betriebsrats, der Antragsgegner und Beteiligter zu 2) ist. Beteiligte zu 3) ist die Arbeitgeberin.
Die Arbeitgeberin kündigte mit Zustimmung des Betriebsrats das zwischen ihr und der Antragstellerin seit dem 15. Februar 1989 bestehende Arbeitsverhältnis fristlos wegen beharrlicher Verweigerung einer Anweisung, als Kassenaufsicht aneinandergeklebte Einkaufstüten zu trennen und zu säubern. Die Antragstellerin hat dagegen Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Aachen erhoben. Durch Teilurteil vom 17. Mai 2011 hat das Arbeitsgericht Aachen der Kündigungsschutzklage und der Klage auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für die Zeit bis April 2011 stattgegeben. Einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bereits während der Dauer des Kündigungsrechtsstreits hat die Antragstellerin bislang nicht gerichtlich eingeklagt.
Mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der am 9. Juni 2011 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangen ist, verlangt die Antragstellerin von dem Betriebsrat, sie zu den Sitzungen unter Mitteilung der Tagesordnung rechtzeitig einzuladen und es zu unterlassen, ihr die Teilnahme an den Sitzungen zu verweigern.
Das Arbeitsgericht Aachen hat den Anträgen durch Beschluss vom 5. Juli 2011 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, zwar sei ein gekündigtes Betriebsratsmitglied zunächst an der Ausübung seines Amtes zeitweilig verhindert. Es werde durch ein Ersatzmitglied nach § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG vertreten. Etwas anderes gelte aber, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam sei oder – wie hier – erstinstanzlich die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt worden sei bzw. ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung zuerkannt worden sei.
Der Beschluss ist dem Betriebsrat am 11. Juli 2011 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 7. Juli 2011 Beschwerde einlegen und diese zugleich und ergänzend am 11. Juli 2011 begründen lassen.
Der Betriebsrat trägt vor, nach der Rechtsprechung sei vor rechtskräftigem Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens das gekündigte Betriebsratsmitglied nur dann nicht mehr zeitweilig verhindert, wenn die Kündigung offensichtlich unwirksam sei oder die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt worden sei und zugleich einem Anspruch auf Weiterbeschäftigung bereits während der Dauer des Kündigungsrechtsstreits stattgegeben worden sei. Beide Alternativen lägen hier nicht vor. Im Übrigen sei auch nicht ersichtlich, inwiefern der für den Erlass der einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund vorliege.
Der Betriebsrat beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Aachen vom 5. Juli 2011 – 4 BVGa 4/11 – die Anträge zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss. Da sie erstinstanzlich in dem Kündigungsrechtsstreit obsiegt habe, stehe ihr der Weiterbeschäftigungsanspruch zu. Sie habe bislang die von der Arbeitgeberin verweigerte Weiterbeschäftigung nicht gerichtlich geltend gemacht, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Sie wolle an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Es liege auch der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund vor, da sei als gewähltes Betriebsratsmitglied jederzeit die Möglichkeit haben müsse, an ordentlichen Betriebsratssitzungen teilzunehmen. Zuletzt habe der Betriebsrat am 13. Juli 2011 eine Sitzung abgehalten, ohne sie einzuladen und ihr die Teilnahme zu ermöglichen.
Die Arbeitgeberin hat keine Stellungnahme in dem Verfahren abgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
A. Die Beschwerde ist zulässig.
Die Beschwerde ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
B. Die Beschwerde ist auch begründet.
Die Antragstellerin hat derzeit keinen Anspruch auf Ladung und Teilnahme an den Betriebsratssitzungen.
Nach §§ 935, 940 ZPO, die a...