Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweisbeschluss. außerordentliche Beschwerde. heimliche Videoüberwachung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Zulassung einer außerordentlichen Beschwerde gegen einen grundsätzlich unanfechtbaren Beweisbeschluss (§ 355 Abs. 2 ZPO) besteht solange kein Bedürfnis, wie eine Korrektur der angegriffenen Entscheidung auf einem Wege möglich ist, der weniger stark in das gesetzliche Rechtsmittelsystem eingreift. Danach ist vorrangig durch eine Gegenvorstellung die Kammer, die den Beweisbeschluss erlassen hat, zu einer Selbstkorrektur zu veranlassen.

2. Eine außerordentliche Beschwerde ist auf Fälle krassen Unrechts zu beschränken. Die Entscheidung muss mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar sein, weil sie jeder rechtlichen Grundlage entbehrt und dem Gesetz inhaltlich fremd ist.

3. Einem gekündigten Arbeitnehmer widerfährt nicht krasses Unrecht, wenn das Arbeitsgericht über die Behauptung, der Arbeitnehmer habe bei seiner Tätigkeit für die Flughafenbetreiberin im Laderaum eines Flugzeugs Gegenstände aus Gepäckstücken der Fluggäste entwendet, Beweis erhebt durch Ansicht der heimlich von der Fluggesellschaft hergestellten Videoaufzeichnungen.

4. Eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts des bei der Flughafenbetreiberin gebildeten Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG liegt nicht vor, wenn ohne Wissen der Flughafenbetreiberin eine Fluggesellschaft heimlich die Flugzeugabfertiger während ihrer Tätigkeit im Laderaum ihrer Flugzeuge überwacht.

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1; ZPO § 355 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Beschluss vom 16.09.2005; Aktenzeichen 5 Ca 4318/05)

 

Tenor

Die außerordentliche Beschwerde des Klägers gegen den Beweisbeschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 16. September 2005 – 5 Ca 4318/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I. Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 5. November 1984 als Flugzeugabfertiger beschäftigt.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 27. April 2005 das Arbeitsverhältnis fristlos mit der Begründung gekündigt, der Kläger habe am 6. März 2005 zwischen 8.50 Uhr und 9.10 Uhr im Laderaum eines Flugzeugs der Fluggesellschaft B auf dem K Koffer von Fluggästen geöffnet, den Kofferinhalt durchsucht und Gegenstände aus den Koffern in seiner Kleidung versteckt. Die Fluggesellschaft habe in dem Laderaum heimlich Videobilder aufgenommen, auf denen der Kläger zu erkennen sei. Nachdem die Fluggesellschaft bei der Polizei Strafanzeige erstattet habe und sie am 7. April 2005 davon erfahren habe, sei der Kläger am 8. April 2005 angehört worden.

Der Kläger streitet ab, Koffer von Fluggästen geöffnet und durchsucht zu haben und Gegenstände an sich genommen zu haben.

Der Betriebsrat ist vor Ausspruch der Kündigung angehört worden. Er hat ihr u. a. mit dem Hinweis widersprochen, die Videoaufzeichnungen seien ohne seine Zustimmung gefertigt worden.

Durch Beschluss vom 16. September 2005 hat die 5. Kammer des Arbeitsgerichts Köln beschlossen, über den Kündigungsvorwurf Beweis zu erheben durch Ansicht der Videoaufzeichnungen.

Dagegen hat der Kläger mit einem am 30. September 2005 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Schriftsatz außerordentliche Beschwerde eingelegt und zugleich eine Gegenvorstellung eingereicht.

Er ist der Ansicht, die Videoaufzeichnungen seien unter Verletzung seines Persönlichkeitsrechts und des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Ziff. 6 BetrVG hergestellt worden. Sie unterlägen daher einem Beweisverwertungsverbot. Sofern die Beweisaufnahme in einer – öffentlichen – Gerichtsverhandlung durchgeführt werde, werde sein Persönlichkeitsrecht erneut verletzt.

Die Beklagte ist der Ansicht, die außerordentliche Beschwerde sei bereits unzulässig, da Beweisbeschlüsse nach § 355 Abs. 2 ZPO nicht selbständig anfechtbar seien.

Ein Beweisverwertungsverbot bestehe nicht. Die Fluggesellschaft habe ohne Wissen der Beklagten aufgrund zahlreicher Meldungen über Diebstähle aus dem Gepäck der Fluggäste bestimmte Flugzeuge mit versteckten Videokameras in dem Laderaum ausgestattet. Die Fluggesellschaft habe ihr Folgendes mitgeteilt: Sie setze diese Flugzeuge im gesamten Streckennetz ein. Die Videoaufzeichnungen könnten im Flugzeuginneren angesehen werden. Sie würden aber auch unter Beachtung der in G geltenden Datenschutzbestimmungen auf einer herausnehmbaren Festplatte abgespeichert, die von besonders beauftragten Sicherheitsmitarbeitern entfernt und zur Untersuchung in die Hauptniederlassung gebracht werde. Nach der Auswertung durch besonders beauftragte Sicherheitsmitarbeiter würden die Aufzeichnungen gelöscht, es sei denn, sie enthielten Hinweise auf Diebstähle. In diesem Fall würden die relevanten Daten auf andere Speichermedien kopiert und ausschließlich zum Zwecke der Strafverfolgung und Vorbeugung von Straftaten verwandt. Seit Mai 2002 seien weltweit über 350 Personen identifiziert worden, die Gepäck der Fluggäste beschädigt oder durchsucht hätten oder aus dem Gepäck Gegenstände gestohlen hätten. Nach Meldung von Vorfällen sei die Diebstahlsq...

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