Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Beiordnung eines Rechtsanwalts als öffentlich-rechtlicher Rechtsakt. Vertretungspflicht im Nachprüfungsverfahren nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe. Keine Beschränkung des beigeordneten Rechtsanwalts auf das Hauptsacheverfahren. Konsequenzen einer pflichtwidrigen Mandatsbeschränkung des Rechtsanwalts

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Aufgrund des öffentlich-rechtlichen Rechtsaktes der gerichtlichen Beiordnung ist der Rechtsanwalt gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 BRAO verpflichtet, seiner Mandantschaft im Umfang der Beiordnung zur Verfügung zu stehen.

2.) Ist beim Prozesskostenhilfemandat die Beiordnung unbeschränkt beantragt und bewilligt worden, muss der Rechtsanwalt die Vertretung einschließlich des Nachprüfungsverfahrens anbieten.

3.) Zu einer Beschränkung des Mandats auf das Hauptsacheverfahren ist der Rechtsanwalt in diesem Fall nicht berechtigt.

4.) Eine pflichtwidrige Mandatsbeschränkung stellt keinen Grund zur Aufhebung der Beiordnung i. S. v. § 48 Abs. 2 BRAO dar.

 

Normenkette

ZPO § 121; BRAO § 48 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 21.01.2019; Aktenzeichen 12 Ca 3964/15)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des beigeordneten Prozessbevollmächtigten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 21.01.2019 (12 Ca 3964/15) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

A.

Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin erhobene sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Aufhebung seiner Beiordnung ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO i. V. m. §§ 11 a Abs. 1 ArbGG, 78 Satz 1 ArbGG statthaft (vgl. dazu Feuerich/Weyland/Schwärzer, BRAO, 9. Aufl. 2016, § 48 Rn. 23).

B.

In der Sache ist die sofortige Beschwerde indes nicht begründet.Eine Aufhebung der mit Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 20.07.2015 erfolgten Beiordnung des Beschwerdeführers ist nach der gesetzlichen Regelung in § 48 Abs. 2 BRAO nur möglich, wenn hierfür wichtige Gründe vorliegen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

I. Soweit sich der Beschwerdeführer auf eine Regelung in Ziff. 8) des von der Klägerin bereits vor der Beiordnung unterzeichneten Vollmachtformulars beruft, wonach im Falle der Beiordnung das Mandat auf die Zeit bis zur Beendigung des Hauptsacheverfahrens beschränkt wird, liegt auch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens kein wichtiger Grund i.S.v. § 48 Abs. 2 BRAO zur Aufhebung der Beiordnung vor.

1.) Die Klausel unter Ziff. 8) des Vollmachtformulars ist rechtsunwirksam.

a) Es spricht schon einiges dafür, dass sich die Rechtsunwirksamkeit aus § 3 a Abs. 1 Satz 2 RVG ergibt, wonach Vergütungsvereinbarungen nicht in einem Vollmachtformular enthalten sein dürfen. Die in dem von der Klägerin unterzeichneten Vollmachtformular vorgesehene Beschränkung des Mandats könnte als indirekte “Vergütungsvereinbarung„ ausgelegt werden, denn der Tätigkeitsumfang wird bei gleichbleibender Vergütungshöhe eingeschränkt. Eine solche Auslegung der Vereinbarung wird dadurch gestützt, dass in Ziffer 8) des Vollmachtformulars auf die Vorschrift des § 3 a RVG Bezug genommen wird, der Vergütungsvereinbarungen regelt.

b) Jedenfalls ergibt sich die Unwirksamkeit der Regelung in Ziffer 8) aus § 305 c Abs. 1 BGB als überraschende Klausel sowie aus § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB im Hinblick auf einen Verstoß gegen den Transparenzgrundsatz.

aa) Für die Gerichte besteht die Pflicht zur Klauselkontrolle von Amts wegen (EuGH NJW 2009, 2367; EuGH EuZW 2012, 754; Basedow in MünchKommBGB, 8. Aufl. 2019, vor § 305 Rn. 47 ff).

bb) Die Regelung in Ziff 8) des vorgedruckten Vollmachtformulars bezieht sich nicht auf die Ausgestaltung der Prozessvollmacht (§§ 80,81 ZPO), sondern regelt den Umfang des anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages i.S.v. §§ 675, 611 BGB. Derartige vorformulierte Vertragsbedingungen für den Anwaltsvertrag stellen allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB dar (Blattner, AnwBl. 2012,237 ff; vgl. auch Kilian/Offermann-Burckart/v.Stein, Praxishandbuch Anwaltsrecht, 3. Aufl. 2018, § 10 Rn. 83).

cc) Die Beschränkung des Anwaltsmandats in Prozesskostenhilfe-angelegenheiten in der letzten Ziffer des Vollmachtformulars ist so ungewöhnlich und überraschend i.S.v. § 305 c Abs. 1 BGB, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht damit zu rechnen braucht.

a) Im Parteiprozess kann zwar die Vollmacht gemäß § 83 Abs. 2 ZPO beliebig beschränkt werden. Das vom Beschwerdeführer verwendete Vollmachtformular regelt aber nur in Ziff. 1) bis 5) die Prozessvollmacht. Ziff. 6) und 7) betreffen Gebührenfragen. Ziff. 8) schließlich regelt den Anwaltsvertrag und beschränkt den Mandatsumfang in Prozesskostenhilfeangelegenheiten. Derartige Regelungen, die mit der Prozessvollmacht für das forensische Mandat nicht in direktem Zusammenhang stehen und von der Regelung des § 83 Abs. 2 ZPO nicht erfasst werden, sind für den Mandanten überraschend. Denn der Durchschnittsmandant erwartet bei einem Formular, das mit “Vollmacht„ überschrieben und den Eingangssatz “Die Vollmacht umfasst die Befugnis …„ enthält, auch nur Regelungen zur Prozessvoll...

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