Entscheidungsstichwort (Thema)

Mängel bei PKH-Gesuch. Hinweispflicht des Gerichts bei PKH. Gebot der Fairness

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Gericht ist im PKH-Verfahren aus dem Gebot der prozessualen Fairness verpflichtet, den Antragsteller rechtzeitig unter Fristsetzung auf die Mängel des PKH-Gesuchs hinzuweisen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Antragsteller vor Instanzende ausdrücklich das Gericht daran erinnert hat, über das Gesuch zu entscheiden (LAG Köln, Beschl. v. 30.01.2008 - 9 Ta 24/08 - m.w.N.).

2. Aus dem Gebot eines fairen Verfahrens gemäß Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG folgt u. a., dass das Gericht aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile ableiten darf (BVerfG, Beschl. v. 18.07.2013 - 1 BvR 1623/11 - m.w.N.).

 

Normenkette

GG Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; ZPO § 117 Abs. 3-4, § 118 Abs. 2 S. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 17.05.2013; Aktenzeichen 6 Ca 2149/12)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 17.05.2013 - 6 Ca 2149/12 - aufgehoben.

Das Prozesskostenhilfegesuch wird zur erneuten Entscheidung an das Arbeitsgericht Aachen zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Mit der im Mai 2012 erhobenen Klage hat der Kläger Prozesskostenhilfe beantragt, verbunden mit der Ankündigung, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachzureichen.

Im Gütetermin am 05.07.2012 schlossen die Parteien einen Teilvergleich. Hinsichtlich des nichterledigten Teils wurde das Verfahren auf Antrag der Parteien ruhend gestellt.

Mit Schriftsatz vom 24.07.2012 bat der Kläger unter Vorlage des Arbeitslosengeldbescheids erneut um Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

In einem Parallelverfahren der Parteien (Arbeitsgericht Aachen -2 Ca 4084/11 -) hatte der Kläger Prozesskostenhilfe unter Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beantragt. Ihm wurde in diesem Rechtsstreit mit Beschluss vom 30.07.2012 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.

Am 08.01.2013 erkundigte sich das Arbeitsgericht beim Kläger, ob er den Prozesskostenhilfeantrag im vorliegenden Verfahren aufrecht erhält. Für diesen Fall bat das Gericht um die Vorlage eines aktuellen Einkommensnachweises.

Das Verfahren wurde mit Gütetermin vom 26.02.2013 fortgesetzt. Der Kläger überreichte einen Arbeitslosengeldbescheid sowie einen Kontoauszug zu den Gerichtsakten und bat erneut um Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag. Das Gericht unterbreitete den Parteien einen Vergleichsvorschlag und stellte das Verfahren terminlos.

Mit Schreiben vom 18.03.2013 hat der Kläger den Vergleichsvorschlag des Gerichts angenommen und gebeten, die Prozesskostenhilfe auch für den Vergleich zu bewilligen.

Mit Beschluss vom 19.03.2013 hat das Arbeitsgericht das Zustandekommen des Vergleichs durch Beschluss festgestellt.

Mit Schreiben vom 21.02.2013 hat der Kläger auf den vorgelegten Bescheid der Bundesagentur für Arbeit hingewiesen, weitere Unterlagen besitze er nicht. Unter dem 22.03.2013 (Abvermerk: 26.03.2013) verfügte die damalige Vorsitzende der Kammer, dass der Kläger binnen drei Wochen eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftliche Verhältnisse einreichen möge, da eine solche bislang nicht vorliege.

Mit Schreiben vom 25.04.2013 empfahl das Gericht die Rücknahme des Prozesskostenhilfeantrags, da nach Abschluss des Verfahrens eine Prozesskostenhilfe nicht mehr gewährt werden könne und das Formblatt trotz Hinweis nicht übermittelt worden sei. Noch bevor dieses Schreiben vom Gericht versendet wurde, ging am 26.04.2013 die Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 20.04.2013 nebst Belegen ein. Nach Erhalt des gerichtlichen Schreibens hat der Kläger mit Schriftsatz vom 15.05.2013 darauf hingewiesen, dass er bereits sämtliche Unterlagen in dem Parallelverfahren vorgelegt hatte.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 17.05.2013 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst nach Beendigung des Verfahrens beigebracht worden sei. Die Erklärung im Parallelverfahren sei bereits deshalb nicht maßgeblich, weil sie aus dem November 2011 stamme.

Gegen den ihm am 29.05.2013 zugestellten Beschluss hat der Kläger unter dem 18.06.2012 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Verfahrens- sowie der PKH-Akte Bezug genommen.

II. Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.

1. Das Arbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft die nachgereichte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 20.04.2013 nebst Belegen nicht berücksichtigt.

a) Grundsätzlich muss der vollständige...

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