Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats hinsichlich Umkleidezeiten
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Tarifvertragsparteien sind berechtigt, eine das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschließende Regelung zu treffen, sofern dieser Regelungswillen hinreichend zum Ausdruck kommt und nicht gegen arbeitszeitliche Bestimmungen verstoßen wird. In diesem Rahmen können die Tarifvertragsparteien frei festlegen, welche Zeiten nicht zur tarifvertraglichen Arbeitszeit gerechnet werden sollen.
2. Haben die Tarifvertragsparteien eine ausdrückliche, verbindliche tarifliche Regelung getroffen, wonach ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Anrechnung der Zeiten für die mit dem Umkleiden verbundenen Zeiten nicht besteht, so besteht auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 18.01.2018; Aktenzeichen 5 BV 206/17) |
Tenor
I.
Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 18.01.2018 - 5 BV 206/17 - abgeändert. Die Anträge des Betriebsrats werden zurückgewiesen.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die mitbestimmungsrechtliche Behandlung von Umkleidezeiten.
Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Automobilbranche und unterhält einen Betrieb im sogenannten F in K . Antragsteller ist der dort gebildete Betriebsrat.
Auf die Arbeitsverhältnisse findet der Einheitliche Manteltarifvertrag (EMTV) in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens vom 18.12.2003 Anwendung. Der EMTV war von der IG Metall zum 31.12.2017 gekündigt worden, wurde jedoch durch den Tarifvertrag zur Wiederinkraftsetzung des EMTV vom 14.02.2018 zum 01.01.2018 rückwirkend wieder in Kraft gesetzt. Gemäß § 3 Nr. 1 EMTV beträgt die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen 35 Stunden.
Unter § 4 EMTV heißt es:
“(…)
2. Durch Betriebsvereinbarung werden u. a. festgelegt
a) die Verteilung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit und regelmäßigen wöchentlichen Ausbildungszeit entsprechend Nr. 1,
b) Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit / Ausbildungszeit und der Pausen,
c) die Regelung der gleichmäßigen oder ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit auf mehrere Wochen entsprechend Nr. 1 einschließlich Beginn und Ende der Ausgleichszeiträume,
d) Schichtpläne,
(…)
4. Umkleiden, Waschen sowie Pausen im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (z.B. Frühstücks-, Mittags-, Kaffeepausen) gelten nicht als Arbeitszeit / Ausbildungszeit.„
Gemäß der Protokollnotiz zu § 4 sind ua. die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes zu beachten.
Im Betrieb der Arbeitgeberin gilt die Betriebsvereinbarung Nr. 24-05-00 vom 23.01.2003 (im Folgenden “BV Arbeitskleidung„), wonach eine einheitliche, im Eigentum des Arbeitskleidungsservicelieferanten stehende Arbeitskleidung zu tragen ist, die im festgelegten Rhythmus gereinigt und getauscht wird. An den Mietkosten haben sich die Mitarbeiter zu 50 % zu beteiligen. Die Arbeitgeberin stellt Umkleideräume und Spinde zur Verfügung, duldet aber auch, die Arbeitskleidung außerhalb des Betriebes zu tragen.
In der Betriebsvereinbarung Nr. 24-03-07 über Anwesenheits-, Arbeits- und Pausenzeitmodelle vom 24.05.2017 (im Folgenden “BV Arbeitszeit„) sind die im Betrieb praktizierten Arbeitszeitmodelle unter Angabe der Arbeits- und Pausenzeiten geregelt. Bei den Verhandlungen zum Abschluss dieser Betriebsvereinbarung hatte der Betriebsrat die Auffassung vertreten, dass auch die Umkleidezeiten zur Arbeitszeit gehören würden. Mit Schreiben vom 10.07.2915 forderte er die Arbeitgeberin zu der Erklärung auf, dass die in der BV Arbeitszeit vom 24.05.2017 geregelte Arbeitszeit der Produktionsarbeitnehmer die Umkleidezeiten erfasse. Eine solche Erklärung lehnte die Arbeitgeberin ab.
Der Betriebsrat vertritt die Auffassung, dass es sich bei den Umkleidezeiten um Arbeitszeit handele und dass er insoweit ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nr. 2 BetrVG habe. Die Arbeitskleidung sei fremdnützig, da sie auffällig sei und nicht mit Privatkleidung verwechselt werden könne.
Der Betriebsrat hat beantragt,
festzustellen, dass die von den in der Produktion und Betriebstechnik beschäftigten Arbeitnehmern in den betrieblichen Umkleideräumen für das Ablegen der Privatkleidung und das Anlegen der Arbeitskleidung zu Beginn der Arbeitsleistung und das Ablegen der Arbeitskleidung und Anlegen der Privatkleidung zum Ende der Arbeitsleistung aufzuwendende Zeit Arbeitszeit im Sinne des § 87 Absatz 1 Nr. 2 BetrVG ist.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1, Hs. 1 BetrVG ausgeschlossen sei, da die Tarifvertragsparteien in § 4 Nr. 4 EMTV die betriebliche Arbeitszeit abweichend festgelegt hätten. Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung sei nicht lediglich fremdnützig, wenn sie - wie hier - zu Hause angelegt und - ohne besond...