Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebungsvertrag, konkludente Beseitigung durch fristlose Kündigung?
Leitsatz (amtlich)
Haben die Parteien einen schriftlichen Aufhebungsvertrag mit der Zusicherung des Arbeitgebers geschlossen, eine Strafanzeige gegen den Arbeitnehmer nicht zu erstatten, dann kann die nicht ausreichend begründete Anfechtungserklärung des Arbeitnehmers wegen Androhung einer fristlosen Kündigung umgedeutet werden in die Offerte, den Aufhebungsvertrag zu annulieren. Die sofortige Reaktion des Arbeitgebers mit Strafanzeige, Anhörung des Betriebsrates und Absendung einer fristlosen Kündigung ist als konkludente Annahme der Offerte zu werten und hat zur Folge, daß nunmehr allein über die Wirksamkeit der erklärten Kündigung zu streiten ist.
Normenkette
BGB § 123 Abs. 1, §§ 133, 140, 151, 157, 242, 305
Verfahrensgang
ArbG Köln (Aktenzeichen 2 Ca 3920/96) |
Tenor
Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die schriftliche Kündigungserklärung des Klägers vom 22.04.1996 zum 30.04.1996 aufgelöst ist, sondern mindestens bis zum 02.05.1996 zu unveränderten Bedingungen fortbestanden hat.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Tatbestand
Der am 22.03.1957 geborene Kläger war gemäß dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 03.11.1992 seit dem 15.10.1992 bei der Beklagten als Arbeiter tätig. Die tatsächliche Beschäftigung des Klägers war wiederholt durch Kündigungsstreitigkeiten unterbrochen. Die Parteien vereinbarten in einem Prozeßvergleich vom 09.05.1995 vor dem Arbeitsgericht Köln, daß das Arbeitsverhältnis zum 31.08.1994 gegen Zahlung einer Abfindung beendet und ab 15.05.1995 zu den Bedingungen des beendeten Arbeitsverhältnisses unter Anrechnung der Betriebszugehörigkeit neu begründet werde.
Der Kläger ist kroatischer Staatsbürger mit geringen deutschen Sprachkenntnissen und lebt erst seit Dezember 1991 dauernd in Deutschland; bei sprachlichen Verständigungsproblemen im Betrieb wurde regelmäßig die Ehefrau des Klägers hinzugezogen, die bereits seit 1976 in Deutschland arbeitet.
Nachdem es bei der Tätigkeit des Klägers als Gabelstaplerfahrer wiederholt zu Schadensfällen gekommen war, wurde der Kläger am 17.04.1996 in eine andere Tätigkeit als Lagerarbeiter umgesetzt (Schreiben der Beklagten vom 17.04.1996, Blatt 17 d.A.).
Am 22.04.1996 wurde dem Kläger vorgeworfen, er habe bei seiner Tätigkeit im Lager einige Gegenstände entwendet, darunter einige Maschinenschrauben, die im Kofferraum des PKW des Klägers aufgefunden worden waren. In der hierüber geführten Unterredung, die ohne Hinzuziehung eines Dolmetschers stattfand, wurde dem Kläger die sofortige Hinzuziehung der Polizei für den Fall angedroht, daß er nicht geständig wäre. Anschließend wurde dem Kläger ein vorbereitetes Schreiben mit Datum vom 22.04.1996 vorgelegt, welches folgenden Wortlaut hat:
„Sehr geehrte Herren,
hiermit kündige ich das Arbeitsvehrältnis zum 30.04.1996.
Mit freundlichen Grüßen
M M „.
Der Kläger unterschrieb und erhielt daraufhin ein Schreiben der Beklagten mit gleichem Datum, welches wie folgt lautete:
„Sehr geehrter Herr M wir bestätigen Ihre Kündigung zum 30.04.1996.
Wie besprochen erhalten Sie keine fristlose Kündigung wegen Diebstahls. Wir verzichten auf eine Anzeige bei der Polizei, um Ihren weiteren Lebensweg nicht zusätzlich zu erschweren.
Als Zeugen benennen wir: |
Herrn W K |
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Herrn A P |
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Herrn H S |
Sie treten mit sofortiger Wirkung Ihren Urlaub an.
Mit freundlichen Grüßen
Am 23.04.1996 übermittelte der Kläger der Beklagten per Telefax folgende Erklärung:
„Betr.: Mein Arbeitsverhältnis
Hiermit fechte ich meine Kündigung vom 22.04.1996 wegen widerrechtlicher Drohung an. Dieser Text wurde mir von meiner Ehefrau übersetzt.”
Diese Erklärung war durch den Rechtsanwalt des Klägers formuliert worden. Die Beklagte erstattete sodann am 24.04.1996 eine Strafanzeige gegen den Kläger, sie hörte nach eigener Behauptung den Betriebsrat an und übersandte dem Kläger mit Schreiben vom 29.04.1996 (Blatt 21) eine fristlose Kündigung, welche dem Kläger am 02.05.1996 zuging.
Der Kläger hat mit der bei dem Arbeitsgericht am 30.04.1996 eingereichten und der Beklagten am 10.05.1996 zugestellten Feststellungsklage geltend gemacht, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch seine eigene Kündigung aufgelöst sei, sondern fortbestehe. Mit der am 07.05.1996 eingereichten Klageerweiterung (Blatt 19 d.A.) hat der Kläger die vorlegende Kündigungsschutzklage erhoben und die Auffassung vertreten, die Kündigung sei ungerechtfertigt und die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates werde bestritten.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch seine Kündigung vom 22.04.1996 zum 30.04.1996 beendet worden ist, sondern darüber hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht;
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29.04.1996, zugegangen am 02.05.1997, nicht beendet worden ist, sondern darüber hinaus zu unveränderten Arb...