Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeitarbeitsverhältnis. Vollzeitstelle. Aufstockungswunsch. Unternehmerentscheidung. Willkürverbot. arbeitsplatzbezogene Sachgründe. Organisationskonzept
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitgeber kann einem Verlängerungswunsch nach § 9 TzBfG nur entgegenhalten, dass er nach seinem unternehmerischen Organisationskonzept nur Teilzeitkräfte beschäftigen wolle, wenn es hierfür arbeitsplatzbezogene Erfordernisse gibt (Anschluss an BAG vom 15.08.2006, 9 AZR 8/06; BAG vom 13.02.2007, 9 AZR 575/05).
2. Die Behauptung eines Arbeitgebers der Systemgastronomie, sein unternehmerisches Organisationskonzept sehe es vor, im Servicebereich grundsätzlich nur Teilzeitkräfte zu beschäftigen, ist als lediglich vorgeschoben zu werten, wenn tatsächlich diverse mit einem Teilzeitvertrag ausgestattete Servicekräfte über lange Zeiträume gleichbleibend im Umfang von weit mehr als einer Vollzeitstelle eingesetzt werden.
3. Der Arbeitgeber kann dem Aufstockungsverlangen eines mit einem Teilzeitarbeitsvertrag ausgestatteten Arbeitnehmers nicht entgegenhalten, es fehle an einer freien Vollzeitstelle, wenn er den Arbeitnehmer an dessen eigenen sogenannten „Teilzeitarbeitsplatz” über 3,5 Jahre gleichbleibend mit durchschnittlich mehr als 184 Stunden/Monat beschäftigt hat.
Normenkette
TzBfG §§ 8-9; BGB § 242; MTV Systemgastronomie 2000 § 6; MTV Systemgastronomie 2007 § 5
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 18.04.2007; Aktenzeichen 9 Ca 5051/06) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 18.04.2007 in Sachen 9 Ca 5051/06 abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, den Arbeitsvertrag des Klägers mit Wirkung zum 01.12.2006 von einer Teilzeitstelle in eine Vollzeitstelle umzuwandeln, und zwar mit der Maßgabe, dass die Mindestarbeitszeit des Klägers monatlich 170 Stunden beträgt.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Forderung des Klägers auf Umwandlung seines Teilzeitarbeitsverhältnisses in eine Vollzeitstelle.
Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 9. Kammer des Arbeitsgerichts Aachen dazu veranlasst haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 18.04.2007 Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Kläger am 21.06.07 zugestellt. Der Kläger hat hiergegen am 20.07.07 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.09.07 am 24.08.07 begründen lassen.
Der Kläger vertritt die Auffassung, entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts seien die Voraussetzungen des § 9 TzBfG erfüllt. Die Beklagte könne nicht damit gehört werden, dass sie in ihrem Küchen- und Kassenbereich ausschließlich Teilzeitarbeitsstellen vorhalte. Die dem Arbeitgeber zustehende Organisationsfreiheit dürfe nämlich nicht dazu missbraucht werden, den in § 9 TzBfG eingeräumten Anspruch zu unterlaufen. Demnach müsste die Entscheidung, in bestimmten Bereichen grundsätzlich nur Teilzeitkräfte zu beschäftigen, durch arbeitsplatzbezogene Gründe gerechtfertigt werden können. Dies sei hier nicht der Fall, wie sich schon daran zeige, dass nicht nur er selbst, der Kläger, sondern auch zahlreiche andere Mitarbeiter im Arbeitsbereich des Klägers weit über ihre vertragliche Teilzeitverpflichtung hinaus praktisch als Vollzeitkräfte eingesetzt würden. Geschäftliche Stoßzeiten, wenn es sie denn tatsächlich gäbe, könnten somit keine Auswirkung auf die Einteilung der Arbeitszeit der Arbeitnehmer haben. Im Gegenteil sprächen die langen Öffnungszeiten der Beklagten gerade dafür, Vollzeitarbeitnehmer zu beschäftigen, um die Personalfluktuation im Laufe des Tages in Grenzen zu halten und die Arbeitsabläufe nicht zu stören.
Die Beklagte widerspreche sich auch selbst, wenn sie in ihrem Lokal Plakate aufhänge, in denen das Publikum aufgefordert werde, sich „in diesem oder jedem anderen B. Restaurant auf eine Stelle als Kassen-/Küchenkraft in Vollzeit, Teilzeit oder auf geringfügiger Basis” zu bewerben. Im Internet habe die Beklagte sogar per 26.06.2007 explizit fünf freie Vollzeitstellen „für die Fertigung und den Verkauf von Produkten, Kundenbedienung und Kassieren” angeboten.
Der Kläger macht weiter geltend, durch die von ihm geleistete durchgängige Mehrarbeit bis Anfang 2006 sei eine stillschweigende Vertragsänderung auf ein Vollzeitarbeitsverhältnis zustande gekommen. Dass die Beklagte ihn, den Kläger, seit Frühjahr 2006 nur noch in dem dem schriftlichen Arbeitsvertrag entsprechenden Umfang als Teilzeitkraft einsetze, stelle ausschließlich eine Maßregelung seiner Person dar, weil er zum damaligen Zeitpunkt arbeitsgerichtliche Klagen gegen die Beklagte erhoben hätte. Dies hätten ihm der Restaurantleiter S und andere Mitarbeiter ausdrücklich bestätigt.
Außerdem meint der Kläger, auch weil einem anderen Mitarbeiter gekündigt worden ...