Entscheidungsstichwort (Thema)
Formeller Mangel einer Massenentlassungsanzeige. Keine Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlender Unterschrift auf Massenentlassungsanzeige. Keine Unwirksamkeit trotz Verletzung von Soll-Vorschriften. Definitorische Unterscheidung zwischen Schriftlichkeit und Schriftform
Leitsatz (amtlich)
Das Fehlen einer Unterschrift unter der Massenentlassungsanzeige führt nicht zur UNwirksamkeit einer Kündigung nach § 134 BGB. Mit dem Wort "schriftlich" in § 17 Abs. 2 KSchG ist nicht die Schriftform im Sine des § 126 BGB gemeint. Die Textform reicht aus.
Normenkette
KSchG § 17; BGB § 134; KSchG § 1 Abs. 1-2; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 01.10.2020; Aktenzeichen 3 Ca 824/20) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 01.10.2020 - 3 Ca 824/20 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung
Der Kläger ist 60 Jahre alt. Er war seit dem 01.08.2019 bei der Beklagten als Werker/Maschinenwerker beschäftigt. Hierfür erhielt er zuletzt vereinbarungsgemäß ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.031,00 EUR.
Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das sich u.a. mit der Verlegung von Glasfaserleitungen befasst. Sie beschäftigt regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Die Beklagte war in diesem Bereich ursprünglich nur planerisch tätig. Für Tiefbauarbeiten wurden externe Firmen beauftragt. Seit 2018 hatte sich die Beklagte entschlossen, solche Tiefbauarbeiten auch in eigener Verantwortung durchzuführen. Gegenstand des Streits zwischen den Parteien um die Wirksamkeit der vom Kläger angegriffenen Kündigung ist die Darlegung der Beklagten, sie habe sich entschlossen, diese Bauarbeiten in Zukunft wieder an fremde Unternehmen zu vergeben.
Am 25.02.2020 erstellte die Beklagte für die Bundesagentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige. Die Bundesagentur bestätigte den Eingang dieser Massenentlassungsanzeige am 28.02.2020.
Mit Schreiben vom 28.02.2020, am gleichen Tag dem Kläger zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 31.03.2020. Unterschrieben war die Kündigung nicht vom Geschäftsführer der Beklagten, sondern vom Zeugen v d P .
Mit der seit dem 16.03.2020 anhängigen Klage hat sich der Kläger gegen die ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung gewandt.
Der Kläger hat zur Begründung seiner Kündigungsschutzklage vorgetragen, der Unterzeichner der Kündigung sei nach seiner Auffassung nicht bevollmächtigt gewesen. Eine Vollmacht habe dem Kündigungsschreiben nicht beigelegen. Außerdem sei die Kündigung nicht sozial gerechtfertigt. Ein dringendes betriebliches Erfordernis liege nach seiner Auffassung nicht vor. Die Beklagte könne sich nicht auf eine Teilbetriebsstillegung berufen, weil es gar keine Aufteilung des Betriebes in verschiedene Teile gegeben habe. Auch die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Für die Massenentlassungsanzeige sei die Bundesagentur für Arbeit in H zuständig gewesen und nicht in D . Schon deshalb sei auch die Massenentlassungsanzeige fehlerhaft.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 28.02.2020, dem Kläger zugegangen am 28.02.2020, nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages vorgetragen, dass derjenige, der die Kündigung unterzeichnet habe, als Leiter der Niederlassung umfassend bevollmächtigt gewesen sei. Sie habe denjenigen Betriebsteil, der sich mit dem Tiefbau befasst habe, wieder geschlossen. Dem sei eine unternehmerische Entscheidung vorausgegangen, der zufolge ab dem 31.03.2020 wieder Subunternehmer mit dem Tiefbau betraut werden sollten. Dadurch sei auch das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger entfallen. Sämtliche Betriebsmittel des Baubereichs seien veräußert worden, die Leasingverträge seien gekündigt worden. Die Massenentlassungsanzeige sei bei der richtigen Bundesagentur für Arbeit in formal nicht zu beanstandender Art erfolgt.
Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Urteil vom 01.10.2020 die Klage abgewiesen. Die Unternehmerentscheidung, die Tiefbauarbeiten ab dem 31.03.2020 von Drittfirmen durchführen zu lassen, sei unstreitig geblieben. Aufgrund dieser Entscheidung sei das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger entfallen. Ob wirklich alle Maschinen und die sonstigen Betriebsmittel aus dem Bereich Tiefbau veräußert worden seien, sei nicht erheblich. Eine solche vollständige Veräußerung könne nur ein Indiz sein. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten seien nicht gegeben, jedenfalls habe der Kläger keinen freien Arbeitsplatz bezeichnet, auf dem er sich eine Weiterbeschäftigung vorstellen könne. Aus den Darlegungen des Klägers ergebe sich auch nicht, dass es mit ihm vergleichbare Beschäftigte gebe, die keine Kündigung erhalten hätten. Die Sozialauswahl stelle sich daher als richtig da...