Entscheidungsstichwort (Thema)

private Telefonate. Abmahnung. Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Darf der Arbeitnehmer von seinem dienstlichen Fernsprechanschluß grundsätzlich auch private Telefonate führen, so berechtigt das ausschweifende Gebrauchmachen von dieser Möglichkeit verbunden mit einer durch unzureichende Organisation verzögerten Abrechnung nicht ohne weiteres zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

2. Auch bei Störungen im Vertrauensbereich ist jedenfalls dann vor der Kündigung eine Abmahnung erforderlich, wenn es um ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers geht und eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann (im Anschluß an BAG v. 04.06.1997 NZA 1997, 1281).

 

Normenkette

BGB §§ 611, 626; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Teilurteil vom 05.11.1997; Aktenzeichen 4 Ca 2223/97)

 

Tenor

1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das am 05.11.1997 verkündete Teilurteil des Arbeitsgerichts Bonn – 4 Ca 2223/97 – wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Berufung zu tragen.

 

Tatbestand

I. Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Kündigung des beklagten Landes vom 29.07.1997 (Kopie Bl. 163 ff d.A.), mit der das Arbeitsverhältnis „wegen fortgesetzten vollendeten Betruges” durch „als Dienstgespräche deklarierte private Telefonate” außerordentlich sowie hilfsweise ordentlich zum 30.09.1997 gekündigt wurde. Von einer erneuten Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage durch Teilurteil vom 05.11.1997 stattgegeben. Wegen seiner Entscheidungsgründe wird auf Bl. 86 ff d.A. Bezug genommen.

1. Die Berufung des beklagten Landes ist zwar zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 518, 519 ZPO).

2. In der Sache kann das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg haben.

Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die streitbefangene Kündigung vom 29.07.1997 weder als außerordentliche nach § 626 Abs. 1 BGB noch als ordentliche nach § 1 KSchG in Verbindung mit den Regelungen der §§ 57, 59 des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Manteltarifvertrags für Arbeiter des Bundes und der Länder gerechtfertigt ist. Daran vermögen die Angriffe der Berufung nichts zu ändern. Das Berufungsgericht folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt darauf zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug (§ 543 Abs. 1 ZPO). Ergänzend ist lediglich festzustellen:

Dem Kläger kann nicht der Vorwurf eines fortgesetzten vollendeten Betrugs gemacht werden unter Hinweis darauf, er habe während seiner Tätigkeit als Sektionsgehilfe am Institut für Rechtsmedizin seit dem 01.08.1994 als Dienstgespräche deklarierte private Telefonate geführt und nicht abgerechnet. Schon der Ausgangspunkt des beklagten Landes, im Institut für Rechtsmedizin sei das Führen von privaten Orts- und Ferngesprächen grundsätzlich verboten gewesen, ist unzutreffend. Zwar ergibt sich aus Ziffer 3 der Bedienungsvorschriften im Fernsprechverzeichnis der medizinischen Einrichtungen der R F B, daß „im Regelfall” das Führen privater Telefonate von dienstlichen Fernsprechanschlüssen aus verboten ist. Demgegenüber hat das beklagte Land in erster Instanz mit Schriftsatz vom 16.09.1997 unstreitig gestellt, daß dem Kläger private Telefonate nicht grundsätzlich, sondern nur dem Umfang nach untersagt waren, was immer letzteres heißen mag. Das Arbeitsgericht konnte daher seiner Beurteilung zugrunde legen, daß das Führen von Privattelefonaten nicht – grundsätzlich – verboten war.

Das beklagte Land muß sich auch die spezielle Telefonbenutzungspraxis im Institut für Rechtsmedizin entgegenhalten lassen, die dort mit Duldung der Institutsleitung in zurechenbarer Weise über Jahre hinweg unbeanstandet geübt wurde. Wie das Arbeitsgericht im unstreitigen Tatbestand ausgeführt hat, kam es wegen bestimmter Abrechnungsprobleme in der Vergangenheit Anfang der 90iger Jahre zu der Institutsanordnung, daß Barbeträge nicht mehr eingesammelt, sondern sämtliche Gespräche erfaßt würden, die Telefonlisten sodann von den Arbeitnehmern durchgesehen und Privatgespräche gekennzeichnet werden müßten, so daß anschließend eine Abrechnung erfolgen könne. Die Negation dieser Praxis durch das beklagte Land ist wegen der Tatbestandswirkung des § 314 ZPO unerheblich. Sie hätte allenfalls in einem an das Arbeitsgericht gerichteten Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 ZPO berücksichtigt werden können. Erhebliches neues Vorbringen zu diesem Komplex läßt sich der Berufungsbegründung nicht entnehmen.

Im übrigen muß sich das beklagte Land den Vorwurf gefallen lassen, die zumindest dem Grunde nach bekannten Abrechnungsmängel hingenommen und damit die nunmehr gerügten Verhaltensweisen des Klägers wesentlich erleichtert zu haben. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang die Erklärung der ehemaligen Chefsekretärin des Instituts für Rechtsmedizin vom 27.03.1998 (Bl. 156 d.A.), dem Kläger sei es „aus ve...

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